Die Mischung macht's: Hybridbauteile im Spritzguss

Kunststoff-Metall-Hybridbauteile: Innovation in der Fertigung
Autor:
Martin Hintsteiner
Veröffentlicht:
February 29, 2024

Vor Jahren aus den hohen Anforderungen und der innovationsgetriebenen Denkweise der Industrie als Sonderlösungen entworfen, haben sich Kunststoff-Metall-Hybridbauteile nun fest etabliert. Der Bedarf an in Kunststoff eingebetteten elektronischen Komponenten für moderne Fahrzeuge oder sonstige elektrifizierte Anwendungen nimmt stetig zu. Moderne Leichtmetalllegierungen oder Verbundwerkstoffe (u.a. Carbon- und Glasfaser-Laminate) haben die herkömmlichen Gestaltungskonzepte von Leichtbaustrukturen radikal verändert.

Insbesondere Zukunftsthemen wie die Elektromobilität, das autonome Fahren oder die Digitalisierung verstärken diesen Trend maßgeblich. Auch in Anbetracht der steigenden Treibstoffpreise und der zusätzlich anfallenden CO2 -Abgaben verlangt die gesamte Industrie nach echten Alternativen und Lösungen zur Gewichtseinsparung und Emissionsreduktion.

Worin die Herausforderungen bei der Herstellung solcher Hybridbauteile liegen, wie diese hergestellt werden und wo sie eingesetzt werden, beschreiben wir in diesem Beitrag.

Inhaltsverzeichnis

1. Schwachstelle Grenzfläche: Mit Know-How kein Problem

2. Innovative Bauteile aus bewährten Fertigungsverfahren

3. Anwendungsgebiete von Kunststoffhybridbauteilen

4. Fazit

Schwachstelle Grenzfläche: Mit Know-How kein Problem

Bei der Herstellung von Hybridbauteilen ist die Verbindung bzw. Haftung zweier Materialien zueinander der entscheidende Faktor. Die große Frage dabei lautet: Wie lassen sich diese unterschiedlichen Werkstoffe dauerhaft und prozesssicher miteinander verbinden?

Die Grenzfläche zwischen Kunststoff und Metall kann bei falscher Auslegung die Achillesferse des Bauteils darstellen. Formschluss und Adhäsionskräfte spielen bei der Haftung die zentrale Rolle und werden von mehreren Faktoren beeinflusst. Oberflächenbeschaffenheit, Art und Ausführung der formschlüssigen Verbindung sowie das eingesetzte Kunststoffmaterial sind dabei entscheidend.

Abbildung 1: Polymer-Metall-Hybridprüfkörper zur Bestimmung mechanischer Eigenschaften (Quelle: hereon)

Im ersten Schritt der Konstruktion eines Hybridbauteils ist auf die Schaffung eines passenden Formschlusses zu achten. Abhängig von der jeweiligen Belastung der Verbindung muss dieser entsprechend ausgelegt werden. Beispielsweise sollten Schraubbuchsen immer auszugs- und verdrehsicher gestaltet sein, um auftretenden Belastungen beim Verbau standhalten zu können. Wirksame Mittel gegen ungewollte Rotation sind Sechskantgeometrien oder gerändelte Fügeflächen.

Gegen Zug- und Druckbeanspruchungen empfehlen sich die Herstellung von starken Hinterschneidungen sowie die Verwendung von Bundbuchsen. Entsprechend der erwarteten Kräfte muss auch das geeignete Kunststoffmaterial gewählt werden. Es ist also darauf zu achten, dass die Kunststoffmatrix unter Belastung nicht die limitierende Komponente darstellt und sich zu leicht verformen lässt.

Abbildung 2: Umspritzte Messing-Gewindeeinsätze ermöglichen eine verschleißfeste Schraubverbindung.

 

Auch die allgemeine Oberflächenbeschaffenheit von Metallteilen hat Einfluss auf die Haftung. Generell ist eine raue Oberfläche einer glatten vorzuziehen, da die Kunststoffmatrix im Herstellungsprozess in die Unebenheiten und Poren der Metallteile fließen kann und aushärtet. Auch die Aufbringung eines Haftvermittlers als Beschichtung der Metallkomponente kann für Spezialanwendungen direkt im Fertigungsverfahren oder als vorgelagerter Bearbeitungsschritt erfolgen.

Innovative Bauteile aus bewährten Fertigungsverfahren

Das Spritzgussverfahren ist nicht nur der bedeutendste, sondern auch der höchstentwickelte Prozess zur Herstellung von Kunststoffteilen. Dementsprechend vielfältig sind auch die Möglichkeiten für die Herstellung von Kunststoffhybridbauteilen.

Im sogenannten Outsert-Prozess werden blechbasierte Bauteile durch eine Kombination aus Tiefziehen oder anderen Umformverfahren mit Kunststoffspritzguss realisiert. Dabei weist das metallische Einlegeteil ein größeres Volumen beziehungsweise eine größere Oberfläche als die Kunststoffkomponente auf. Im Serienprozess werden die vorgefertigten und temperierten Blechbauteile per Roboter in ein Formwerkzeug eingelegt und mit thermoplastischem Kunststoff umspritzt.

Abbildung 3: Roboterarm zur Bestückung und Entnahme von Komponenten im Spritzgussprozess(Quelle: plastverarbeiter)

Beim Insert-Prozess hingegen besteht das Bauteil zum größten Teil aus Kunststoff. Buchsen, Schrauben oder Befestigungspunkte werden dabei zur Herstellung technischer Bauteile im Spritzgussverfahren umspritzt. Aber auch elektronische Bauteile wie Leiterplatten, Sensoren, LEDs oder Kontaktpins für Steckerverbindungen werden direkt in den Herstellungsprozess integriert, um so Hybridbauteile entstehen zu lassen.

Abbildung 4: Hochvoltstecker, hergestellt im Spritzguss(Quelle: amphenol)

Anwendungsgebiete von Kunststoffhybridbauteilen

Riesiges Potential bieten Hybridbauteile vor allem für Bereiche wie den Flugzeugbau, den Automobilbau, die Elektronik, das Bauingenieurwesen, sowie die Elektro- und Vermessungstechnik. Konkrete Anwendungsbeispiele sind unter anderem:

  • Hochvoltbatterie- und Leistungselektronikkomponenten
  • Gehäuse für die Sicherungs- und Vermessungstechnik
  • Leichtbauelemente in der Luftfahrt und der Automobilindustrie
  • Tragende Karosseriebauteile
  • EMV-abschirmende Komponenten

Abbildung 5: Gehäusekomponente für eine Wärmebildkamera mit umspritzten Gewindeinserts

Fazit

Die Materialpaarung von Kunststoff und Metall ist aufgrund ihres breiten Eigenschaftsspektrums wie auch wegen ihres enormen Potentials zur Gewichtsreduktion von großer Bedeutung. Vor allem im Vergleich mit rein metallischen Konstruktionen werden solche Werkstoffkombinationen zunehmend an Relevanz gewinnen. Die elektrische Leitfähigkeit des Metalls in Kombination mit den hervorragenden Isolationseigenschaften des Kunststoffs gibt viel Raum für weitere Innovation und neue Anwendungen. Beispielsweise können so EMV-abschirmende Gehäusebauteile in Leichtbauweise realisiert werden. Effizient und prozesssicher produzieren lassen sich Bauteile mit hybridem Werkstoffeinsatz mit Verfahren wie dem Spritzguss.

Besonders wichtig bei der Herstellung von Hybridbauteilen ist die Auslegung der Grenzfläche zwischen den unterschiedlichen Materialien. Diese können sich bei nachlässiger Betrachtung nämlich schnell als größte Schwachstelle in der Konstruktion herauskristallisieren. Bei ausreichend Know-How können sich aber alle Vorteile, die sich durch eine Materialkombination ergeben, zunutze gemacht werden.