Die Wehrtechnik im Wandel: Etablierung technischer Kunststoffbauteile

Die Wehrtechnik im Wandel: Etablierung technischer Kunststoffbauteile
Autor:
Julia Stopper
Veröffentlicht:
23. April 2025
April 23, 2025

Die Anforderungen an Komponenten für die Wehrtechnik sind in den letzten Jahren extrem gestiegen. Dabei spielen vor allem die Faktoren Gewicht, Funktionalität und Design eine große Rolle. Funktionalität, niedrige Herstellkosten und das Vertrauen in Bewährtes standen bei der Entwicklung bestehender wehrtechnischer Komponenten ganz klar im Fokus. Geprägt durch klobiges Design, überschaubaren Komfort und enormes Gewicht waren militärische Güter vor allem eines: Mittel zum Zweck.

Diese Einstellung hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Beispielsweise ein modernes militärisches Fahrzeug sieht somit optisch ansprechend aus, spart durch eine innovative Leichtbauweise viel Gewicht ein und hat dabei eine nie zuvor dagewesene Funktionalität bei deutlich erhöhtem Komfort. Dabei handelt es sich um Attribute bzw. Eigenschaften, welche sich vor allem durch den Einsatz von Kunststoffen erzielen lassen. Durch die enormen Designfreiheiten der verschiedensten Herstellungsverfahren, wie auch durch die bemerkenswerte Materialvielfalt in der Kunststofftechnik, können bisher ungeahnte Lösungen und Anwendungen realisiert werden.

Was dabei genau für den Einsatz von wehrtechnischen Anwendungen aus Kunststoffen spricht, welche Kunststoffe für die spezifischen Anwendungen eingesetzt werden und warum es Sinn macht, sich einen Entwicklungspartner mit breitgefächertem Material- und Leistungsportfolio im Bereich der Kunststofftechnik zur Seite zu holen, ist Inhalt dieses Beitrags.

Was spricht für den Einsatz von Kunststoffen in der Wehrtechnik?

Dank Innovationen im Materialsektor können Kunststoffbauteile in Umgebungen eingesetzt werden, wo herkömmliche Werkstoffe wie Stahl und Aluminium an Ihre Belastungsgrenzen stoßen. Vor allem in Sachen Beständigkeit gegenüber Korrosion, ätzenden Medien, Mineralölen und Lösungsmittel bietet Kunststoff jede Menge Lösungen. Bedenkt man, dass die Soldaten mit Ihrer Ausrüstung und Fahrzeugen Einsätze in den extremsten Umgebungen durchführen, wird klar, dass nur die hochwertigsten Materialien zum Einsatz kommen können.

Abbildung 1: Optronik-Komponenten mit dämpfender Kunststoffummantelung

Auch das Brandverhalten von Kunststoffen kann, entgegen der allgemeinen Meinung, sehr gut modifiziert werden, sodass mögliche Gefahren im Einsatz vermieden werden. Von brennbar, über nicht brandfördernd bis hin zu brandhemmender Wirkung gibt es eine Vielzahl an Möglichkeiten, um die notwendigen Anforderungen erfüllen zu können.

Bauteile, die von den Soldatinnen und Soldaten im Einsatz direkt am Körper getragen werden, müssen leicht, funktionell, optisch ansprechend und sehr belastbar sein, dürfen dabei jedoch unter keinen Umständen giftige Stoffe an die Umwelt beziehungsweise das Umfeld der Truppe abgeben. Die Eigenschaft, dass ein Bauteil keine schädlichen Stoffe an die Umwelt abgibt, beschreibt in der Kunststofftechnik der Begriff der Biokompatibilität. Spezielle Kunststoffe gewährleisten jene Biokompatibilität sogar unter extremsten Bedingungen.

Abbildung 2: Robuste Kunststoffkomponenten mit Spezialoberflächen für extreme Einsätze

Die Gewichtsreduzierung durch den Einsatz von Kunststoff in der Soldatenausrüstung trägt zudem wesentlich zur geringeren physischen Belastung der Einsatzkräfte bei. Maximalbelastungen bei langen Märschen oder in unwegsamen Gelände stellen eine starke Belastung für den Zug dar und werden durch neue Richtlinien außerdem  immer schärfer reglementiert. Somit liefern Kunststoffe auch in diesem Bereich ein enormes Potential. Bei der Anwendung in militärischen Fahrzeugen trägt die Gewichtsreduktion zu einer verbesserten Reichweite bei und ermöglicht bei Bedarf auch die geringe Dimensionierung von Antriebselementen durch leichter zu bewegende Massen.

Die enorme Vielfalt an Kunststofftypen ermöglicht es, bestmöglich auf die spezifischen Anforderungen und Eigenschaften von militärischen Anwendungsfällen einzugehen. Folgend wird beschrieben, welche Kunststoffe für die komplexen Anwendungsfälle der Sicherheitstechnik zum Einsatz kommen.

Welche Kunststoffe werden für welche Anwendungen eingesetzt?

Weiche, elastische Kunststoffbauteile können den Komfort im Innenraum von militärischen Fahrzeugen steigern, oder als Stoßschutz im Außenbereich eingesetzt werden. Im Fahrzeuginnenraum finden vor allem Polyurethan-Typen, thermoplastische Elastomere (TPE), Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS-Compounds) und Polypropylen-Typen (PP) Verwendung. Eine optisch hochwertige, haptisch ansprechende und dabei extrem resistente Oberfläche kann im Gegensatz zu anderen Materialien direkt im Produktionsprozess erzielt werden.

Eine aufwendige Polsterung samt Überzug mit Leder oder Stoff, wie es im zivilen Fahrzeugsektor üblich ist, kommt für die Sicherheitsindustrie nicht in Frage und wird in diesem Fall auch nicht benötigt. Zusätzlich reduziert sich im Vergleich zu herkömmlichen Materialien das Gesamtgewicht durchschnittlich um circa 30%.

Harte und technische Kunststofftypen werden überall dort eingesetzt, wo mechanische Beanspruchungen auftreten und substituieren dabei vermehrt Metalle, wie Stahl oder Aluminium. Hierbei finden sowohl unverstärkte Kunststoffe, wie Polyoxymethylen (POM) und Polycarbonat (PC), als auch faserverstärkte Kunststofftypen, wie Polyamid (PA) oder Polybutylenterephthalat (PBT) Anwendung. Eingesetzt werden diese beispielsweise für Türgriffe und Luftführungen von militärischen Fahrzeugen.

Abbildung 3: Luftführung für den Innenraum eines Einsatzfahrzeuges

Sensible elektronische Komponenten, welche in den Bereichen Navigation, Kommunikation und Sichtausrüstung eingesetzt werden, müssen vor elektromagnetischer Strahlung abgeschirmt werden. Gehäuse aus leitfähigen Kunststoffen bieten dabei innovative Lösungen für solche Anwendungen. Stahlfasern in Kombination mit ABS bilden ein EMV-abschirmendes Compo und mit enormem Potential für die Wehrtechnik.

Technologie- und Materialvielfalt als Erfolgsfaktor

Um Komponenten aus all den zuvor beschrieben Kunststoffen anbieten zu können, muss ein Lieferant auf ein breites Material- und Technologieportfolio zurückgreifen können. Ein wichtiger Aspekt bei der Umsetzung und Entwicklung von Bauteilen aus Kunststoffen ist die geplante Stückzahl. Die Stückzahl ist somit ein wichtiges Kriterium für die Auswahl des passenden Herstellungsverfahrens. Während im Spritzguss aufgrund der verhältnismäßig teuren Fertigung der Werkzeuge aus Aluminium oder gehärtetem Stahl Stückzahlen jenseits der 1.000 Stück von Interesse sind, können Technologien, wie das Vakuumgießen oder das RIM-Verfahren mit effizienten Produktionen im Bereich unter 1.000 Stück überzeugen. Die Entscheidung, welches Verfahren für welche Anwendungen und Anforderungen die optimalen Lösungen bietet, muss ausreichend geprüft werden. Hinsichtlich dessen kann ein technologisch breit aufgestellter Produktionspartner einen erheblichen Mehrwert bieten, indem er auf Erfahrungswerte zurückgreifen kann und somit die unterschiedlichsten Verfahren in Sachen Wirtschaftlichkeit objektiv bewerten kann.

Abbildung 4: Entformung eines Kunststoffteils aus der Werkzeugform

Ein Komplettanbieter mit breit gestreutem Material- und Leistungsportfolio bringt auch in der Entwicklung und Umsetzung wesentliche Vorteile für den Kunden mit sich. So können anhand von geeigneten Verfahren für das Prototyping, wie beispielsweise dem Vakuumguss, schnell und effizient wertvolle Erfahrungen und Erkenntnisse für die bevorstehende Serienfertigung gewonnen werden.

Um ein Projekt im Bereich der Sicherheitsindustrie produktions-, anwendungs- und kostenoptimiert abwickeln zu können, bedarf es zudem an branchenspezifischer Erfahrung und Know-How. Der Umgang mit den industriespezifischen Normen und Abläufen in Kombination mit besonders herausfordernden Anforderungen bedarf jeder Menge Erfahrung. Aus diesem Grund sollte ein Produktionspartner die nötigen Referenzen besitzen, um einen möglichst reibungslosen Projektablauf ermöglichen zu können.