Noch leistungsfähiger, noch ästhetischer: Oberflächenbehandlung von Carbon-Leichtbauteilen

Welche Möglichkeiten der Oberflächenbehandlung von Carbon-Leichtbaukomponenten es gibt und warum diese notwendig ist, erfahren Sie in diesem Beitrag.
Autor:
Armin Rosenmaier
Veröffentlicht:
February 29, 2024

Bauteile werden immer komplexer. Das ist auf die zunehmenden Anforderungen an jene zurückzuführen. Die Eigenschaften der Hauptmaterialien, aus welchen die Bauteile gefertigt sind, sind demnach immer weniger ausreichend, um diese spezifischen Anforderungen erfüllen zu können. Um dennoch adäquate Lösungen bereitstellen zu können, wird vermehrt besonderes Augenmerk auf die Oberflächentechnik gelegt. Der Auftrag von speziellen Funktionsschichten mit bestimmten Zieleigenschaften auf die Bauteiloberflächen ist somit von großer fertigungstechnischer Bedeutung.

Abbilng 1: Vorbehandelte Carbon-Obefläche

Auch Bauteile aus innovativen Faserverbundwerkstoffen, wie in etwa Carbon, welche ohnehin schon hervorragende Eigenschaften aufweisen, werden für spezifische Anwendungen zweckgerichtet oberflächenbehandelt. Dabei gibt es unterschiedlichste Ansätze, um anforderungskonforme Oberflächeneigenschaften erzeugen zu können. Welche Rolle die Oberflächentechnik bei der Herstellung von Faserverbundkomponenten einnimmt und welche Möglichkeiten zur Oberflächenbehandlung jener existieren, ist Thema dieses Artikels.

Inhaltsverzeichnis:

1. Definition und Zweck der Oberflächentechnik
2. Die Rolle der Oberflächentechnik in der Verarbeitung von Faserverbundwerkstoffen
3. Möglichkeiten zur Oberflächenbehandlung von Faserverbundkomponenten
4. Oberflächen im militärischen Bereich
5. Fazit

Definition und Zweck der Oberflächentechnik

Unter Oberflächentechnik versteht man die Summe aller Technologien, welche zur Veränderung der Oberflächeneigenschaften von unterschiedlichsten Komponenten aus verschiedensten Materialien eingesetzt werden.

Die Grundidee der Oberflächentechnik ist das Prinzip der Funktionstrennung zwischen dem Volumen eines Gegenstandes und seiner Oberfläche. Das Volumen erfüllt hierbei eine Primärfunktion, wie eine bestimmte Formgebung, und weist zudem noch weitere Eigenschaften wie Gewicht, Festigkeit, Bearbeitbarkeit, aber auch z. B. einen geringen Preis auf. Des Öfteren benötigen etwaige Bauteile aber noch weitere spezifische Eigenschaften.

Mit Hilfe der Technologien und Verfahren der Oberflächentechnik kann eine Oberfläche auf ein bestimmtes Anforderungsprofil hin optimiert werden und so weitere Funktionen erfüllen bzw. gezielt neue Eigenschaften aufweisen.

Zielfunktionen von Oberflächen sind in etwa:

  • Mechanischer Schutz (Verschleiß, Reibung)
  • Barrierefunktion (Korrosionsbeständigkeit, Wärmeisolation)
  • Grenzflächenwechselwirkung (Biokompatibilität, Benetzbarkeit, Lackierbarkeit)
  • Elektrische Funktion (Leitfähigkeit, Elektrische Isolation)
  • optische Funktion (Reflexion, Absorption, Dekoration)

Abbildung 2: Lackierung eines Leichtbaugehäuses für die Medizintechnik

Aufgrund des kontinuierlichen technologischen Fortschritts, wie auch der steigenden Komplexität von Bauteilen können Werkstoffe allein heutzutage nur noch selten alle an ihnen gestellten Anforderungen erfüllen. Die gezielte Bearbeitung und somit Optimierung der Oberfläche durch die Verfahren der Oberflächentechnik ist aufgrund dessen ein wichtiger Bestandteil in der Fertigungstechnik.

Die Rolle der Oberflächentechnik in der Verarbeitung von Faserverbundwerkstoffen

Die Nachfrage nach funktionellen Beschichtungen in der Carbon- und Kunststofftechnik wird zunehmend größer. Bauteile aus Faserverbundwerkstoffen und Kunststoffen besitzen generell schon hervorragende Werkstoffeigenschaften. Aufgrund dessen werden Materialien, wie CFK (carbonfaserverstärkter Kunststoff), GFK (glasfaserverstärkter Kunststoff) oder Aramid immer mehr in den verschiedensten Industriebereichen (Automotive, Luftfahrt, Rennsport, Militär, Medizintechnik, Messtechnik, Maschinenbau usw.) angewandt und substituieren vermehrt bewährte Materialien wie Stahl oder Aluminium.

Um Faserverbundwerkstoffe jedoch noch leistungsfähiger zu machen ist die gezielte Bearbeitung und Veredelung der Bauteiloberfläche mit Hilfe von verschiedenen Oberflächentechniken erforderlich. Mit einer gezielten Oberflächenbearbeitung der Bauteile, können zusätzliche technische Anforderungen erfüllt werden. Dies führt zu einer Erweiterung und Verbesserung der bestehenden Werkstoffeigenschaften und einer erhöhten Leistungsfähigkeit der Faserverbundwerkstoffe. Je nach Einsatzgebiet sind zusätzliche funktionelle Anforderungen an den Werkstoff gefragt.

Beispiele für häufig geforderte Eigenschaften sind zum Beispiel:

  • EMV (Elektromagnetische Verträglichkeit)
  • Beständigkeit gegen Umwelteinflüsse (Salzwasser, Nebel, Korrosion usw.)
  • Verschleißschutz
  • Flamm- und Wärmeschutz
  • Optik und Haptikuvm
  • uvm.

Zur Erzeugung jener Eigenschaften werden unterschiedlichste Verfahren der Oberflächentechnik angewandt. Welche Verfahren dabei großteils zur gezielten Oberflächenveredelung von Faserverbundwerkstoffen angewandt werden, wird im nächsten Abschnitt näher beschrieben.

Möglichkeiten zur Oberflächenbehandlung von Faserverbundkomponenten

Moderne Lösungen gewährleisten die Forderung nach spezifischen Funktionen durch die gezielte Oberflächenbehandlung von Leichtbau-Komponenten aus Faserverbundwerkstoffen. Der Grund dafür ist, dass Materialien, wie Carbon, ohnehin schon hervorragende physikalische und chemische Eigenschaften mit sich bringen. Um jene Materialien jedoch noch leistungsfähiger zu machen, bestehen verschiedene Ansätze. Wir, die Hintsteiner Group, beschäftigen uns bereits seit geraumer Zeit mit der Veredlung von Bauteiloberflächen aus Carbon und wenden dabei unterschiedlichste Methoden und Verfahren an. Folgend wird ein Überblick über unsere wichtigsten Oberflächentechniken geliefert.

Gelcoat

Ein übliches Oberflächenfinish für Faserverbundwerkstoffe ist Gelcoat, ein speziell formuliertes Polyesterharz, das vor dem Aufbau des Laminats auf die Formwerkzeugoberfläche aufgetragen wird. Es wurde entwickelt, um kosmetische Außenflächen auf Faserverbundprodukten bereitzustellen, wie auch um Witterungsbeständigkeit für Outdoor-Produkte zu garantieren. Zudem werden Gelcoats verwendet, um ultraviolette Strahlungen zu filtern, die Flammwidrigkeit zu erhöhen, eine Wärmebarriere zu erzeugen, die chemische Beständigkeit zu verbessern, die Abriebfestigkeit zu verbessern sowie um eine Feuchtigkeitsbarriere zu gewährleisten.

Abbildung 3: Dickflüssiges Oberflächenharz (Gelcoat)

Zumeist werden Gelcoats jedoch verwendet, um das Erscheinungsbild eines Produkts zu verbessern, wie beispielsweise die Oberfläche eines Bootsrumpfs oder eines Golfwagens. Durch die Einarbeitung von Pigmenten gemäß Spezifikationen in Gelcoats können jene in unterschiedlichsten Farben geliefert werden.

Lackierungen

Funktions-Lackierungen von Faserverbundkomponenten werden in unterschiedlichsten Bereichen eingesetzt. Stark verbreitet sind diese allerdings im wehrtechnischen und maritimen Bereich, wobei auch spezielle Farbmuster und Farbcodes laut bestimmten Richtlinien befolgt werden müssen.

Für Faserverbundwerkstoffe sind unterschiedliche Lacksysteme erhältlich, wie Öl- und Wasserlacken oder Mehrkomponentensysteme, wie Polyurethanlacke. Die nicht absorbierende und inerte Natur von Faserverbundwerkstoffen ermöglicht das Auftragen von Oberflächenfarben. Zur Oberflächenvorbereitung für das Lackieren müssen die Bauteiloberflächen aufgeraut (z.B. durch schleifen, strahlen, Abreißgewebe) und die Reste von Formtrennmitteln entfernt werden.

Abbildung 4: Lackierung einer Hochglanzoberfläche auf einer Carbon-Komponente

Pulverbeschichtung

Im Moment gehört das Lackieren zu den gängigsten Veredelungsmöglichkeiten von Faserverbundwerkstoffen. Eine adäquate Alternative ist jedoch das Pulverbeschichten.

Pulverbeschichten hat gegenüber sonstigen flüssigen Beschichtungsverfahren den Vorteil, dass die Schichtdicke um ein vielfaches höher ist. Faserverbundwerkstoffe haben jedoch in Bezug auf dieses Verfahren den Nachteil eines relativ niedrigen Schmelzpunktes, wodurch das Einbrennen des herkömmlichen Materials nur erschwert möglich ist. Es gibt jedoch die Möglichkeit einen Niedertemperatur-Binder zu wählen, welcher es ermöglicht die Aushärtetemperatur stark zu reduzieren. Somit werden im Bereich der Leichtbau-Werkstoffe neue Möglichkeiten hervorgerufen.

Abbildung 5: Pulvermaterial für die Pulverbeschichtung

Die Anforderungen an Bauteiloberflächen werden immer höher und Standardoberflächen sind somit nicht mehr ausreichend. Seien es die Hygienevorschriften in einem Krankenhaus oder die rauen Umweltbedingungen auf hoher See. Das Beschichten mit Pulver erfordert im Gegensatz zu allen anderen Beschichtungstechniken keine Lösemittel. Dadurch werden die Witterungsbeständigkeit und auch die Chemikalien-Beständigkeit um ein vielfaches höher.

Weitere Vorteile sind die hohe mechanische Belastbarkeit der Beschichtung ohne Rissbildung, die Möglichkeit zur nachträglichen mechanischen Bearbeitung (z.B. bohren, schleifen) der beschichteten Bauteile ohne Materialablösung, die hohe Schlagfestigkeit, die Chemikalienbeständigkeit & Eignung für bestimmte Hygieneanforderungen, wie auch die UV-Beständigkeit.

Oberflächenvliese

Bei einigen Faserverbundkonstruktionen wird ein Oberflächenvlies verwendet, um dem Produkt eine verbesserte Korrosions- oder Witterungsbarriere zu verleihen. Ein Oberflächenvlies ist ein Stoff aus Nylon oder Polyester, der als sehr dünner Schwamm fungiert und Harz zu 90% seines Volumens aufnehmen kann. Dies hilft, eine zusätzliche Schicht Harz auf der Oberfläche des Produkts zu halten.

Oberflächenvliese werden verwendet, um das Erscheinungsbild der Oberfläche zu verbessern und das Vorhandensein einer Korrosionsbeständigkeitsbarriere für typische Verbundwerkstoffprodukte wie Rohre, Tanks und andere chemische Prozessgeräte sicherzustellen. Weitere Vorteile sind eine erhöhte Beständigkeit gegen Abrieb, UV-Strahlung und weitere Witterungseinflüsse. Vliese können zudem in Verbindung mit Gelcoats eingesetzt werden, um das Harz zu verstärken.

Abbildung 6: Einlegen eines Oberflächenvlieses in eine Negativform

Designtextilien

Ein neuer Trend beschäftigt sich mit der Vereinigung von Mode und Technik. Dieser Trend zielt vor allem auf die optische Aufwertung von Komponenten aus Faserverbundwerkstoffen anhand von neuartigen Kompositmaterialien ab.

Im Speziellen handelt es sich dabei um die Kombination von traditionellen Textilgeweben aus der Modebranche mit innovativen Verbundwerkstoffen. Demnach werden unterschiedlichste Stoffgewebe mit verschiedenen Farben und Musterungen mit Reaktionsharzen vorimprägniert. In weiterer Folge können diese imprägnierten Gewebe in Formwerkzeuge eingelegt und im Autoklaven zu einzigartigen Designelementen verarbeitet werden. Dadurch können individuelle Gestaltungslösungen für die unterschiedlichsten Anwendungen (Autos, Motorräder, Boote, Möbel, …) praktisch hergestellt werden. Hybridlösungen in Kombination mit anderen Verbundwerkstoffen, wie in etwa Carbon, sind ebenso realisierbar.

Abbildung 7: Mit Harz vorimprägniertes Designtextil

Im Zuge dieses Artikels wurden lediglich die wesentlichen Oberflächentechniken in der Verarbeitung von Faserverbundwerkstoffen genauer beschrieben. Natürlich existieren noch weitere Möglichkeiten zu gezielten Veredelung von Oberflächen, welche ebenso von der Hintsteiner Group praktiziert werden. Beispiele dafür wären in etwa das Plasma- oder Flammspritzen.

Oberflächen im militärischen Bereich

Weil die Hintsteiner Group stark in der Erzeugung von Komponenten für die Wehrtechnik vertreten ist, wird nun komprimiert auf die Oberflächenbehandlung von militärischen Anwendungen, im Speziellen von Komponenten für militärische Fahrzeuge, eingegangen.Wesentliches Element des Wert- und Funktionserhalts militärischer Ausrüstung und Fahrzeuge ist somit auch ein zuverlässiger Oberflächenschutz. Aufgrund der langen Nutzungsdauer solcher Fahrzeuge wird dem Oberflächenschutz dementsprechend viel Bedeutung und Aufmerksamkeit zuteil. Durch die richtige Wahl der Oberflächentechnik, wie auch dem Einsatz der richtigen Oberflächenmaterialien sollen Folgeschäden aufgrund eines mangelhaften Oberflächenschutzes vermieden werden.

Abbildung 8: Antirutsch-Oberfläche  (Antirutschemail)

Wie zuvor bereits kurz angemerkt werden im militärischen Bereich, vor allem für Militärfahrzeuge, spezielle Lackierungen zur Gewährleistung eines adäquaten Oberflächenschutzes aufgetragen. Für die Lackierungen werden vermehrt Grundierungen auf Epoxidharzbasis (2K) und Decklacke auf Polyurethanbasis (2K) eingesetzt. Die Vorbehandlung erfolgt dabei durch strahlen, schleifen oder im einfachsten Fall durch entfetten der Bauteiloberflächen.

Militärische Anwendungen stellen im Besonderen Anforderungen an die Korrosionsbeständigkeit der Grundierungen und an die Farbgebung, sowie dem Glanz der Decklacke (stumpfmatt). Des Weiteren müssen die Decklacke chemisch beständig sein und eine hervorragende Haft- und Steinschlagfestigkeit aufweisen, was bei Einsätzen in unterschiedlichsten Terrains benötigt wird.

Abbildung 9: Rutschsichere 2K-Oberfläche für wehrtechnische Anwendungen

Fazit

Die Anforderungen an Bauteile werden immer größer. Die Eigenschaften der Grundmaterialen, aus welchen diese gefertigt sind, sind daher kaum noch ausreichend. Aufgrund dessen spielt die gezielte Oberflächenbehandlung der Bauteile eine große Rolle. Zur Steigerung der Leistungsfähigkeit, wie auch zur optischen und haptischen Aufwertung werden sogar innovative Materialien, wie Carbon, oberflächenbehandelt. Dadurch soll die Erzeugung zusätzlich erforderlicher Eigenschaften gewährleistet werden. Für den Auftrag von Funktionsschichten auf Komponenten aus Carbon kommen daher Gelcoats, Lacke, Designtextilien, wie auch spezielle Pulverbeschichtungen zum Einsatz.