Kunststoffe in der Wehrtechnik: Materialien für härteste Bedingungen

Kunststoffe in der Wehrtechnik: Materialien für härteste Bedingungen
Autor:
Martin Hintsteiner
Veröffentlicht:
February 29, 2024

Die Wehrtechnik steht schon länger vor einer großen Herausforderung. Die Faktoren höchster Schutz und geringes Gewicht sollen in Einklang gebracht werden. Um das zu gewährleisten und dennoch militärischen Spezifikationen zu entsprechen, werden innovative Werkstofflösungen benötigt. Dabei rücken vor allem Polymerwerkstoffe aufgrund ihrer einstellbaren Eigenschaften und geringen Dichten vermehrt in den Fokus.

Inhaltsverzeichnis:

  1. Ausgangssituation
  2. Warum Kunststoffen vermehrt die Aufmerksamkeit gilt
  3. Thermoplastische Kunststoffe für wehrtechnische Anwendungen
  4. Die großen Potentiale durch den Einsatz von Kunststoffen
  5. Der richtige Partner macht`s möglich
  6. Fazit

Ausgangssituation

In der Vergangenheit konzentrierte sich der Leichtbaugedanke in der Wehrtechnik vorrangig auf Luft-, See- und Landfahrzeuge, um deren Kraftstoffverbrauch und damit einhergehend die Kosten zu senken. Gleichzeitig sollte dadurch auch die Transportfähigkeit verbessert werden. Obwohl diese Prioritäten immer noch relevant sind, sieht sich das Militär von heute mit neuen Bedrohungen und zunehmend aggressiveren Umgebungen konfrontiert. Dies hat auch Auswirkungen auf die Ausrüstung der Einsatzkräfte. Um alle geforderten militärischen Anforderungen letztendlich abdecken zu können, müssen die eingesetzten Materialien genau definierte Eigenschaften erfüllen. Wodurch sich Kunststoffe dabei generell auszeichnen, wird folgend beschrieben.

Warum Kunststoffen vermehrt die Aufmerksamkeit gilt

Kunststoffe sind leistungsfähig, langlebig, effizient und vielfältig einsetzbar. Ein herausragendes Merkmal ist zudem, dass sich ihre technischen Eigenschaften wie Formbarkeit, Härte, Elastizität, Bruchfestigkeit, Temperatur-, Wärmeform- und chemische Beständigkeit durch die Wahl des Ausgangsmaterials und Herstellungsverfahrens gezielt beeinflussen lassen.

Abbildung: Gehäusedeckel aus Faserverbundwerkstoffen

 

Weitere Vorteile von Kunststoffen im Überblick

  • geringes Gewicht
  • chemische Beständigkeit
  • hohe Verschleißfestigkeit
  • Biokompatibilität
  • elektrische Isolation
  • Schwingungsdämpfung
  • günstige Bearbeitungs- und Materialkosten
  • hohe Variabilität der spezifischen Eigenschaften
  • gute Gleitfähigkeit

Kunststoffe für wehrtechnische Anwendungen

In Folge werden die wichtigsten thermoplastischen Kunststoffe betrachtet, die am häufigsten Anwendung in militärischen Anwendungen finden und mit Verfahren wie dem Spritzguss, dem Vakuumguss oder dem Tiefziehen verarbeitet werden. 

PP (Polypropylen):

Es zeichnet sich durch eine vergleichsweise hohe Wärmebeständigkeit und sehr geringe Rohstoffpreise aus. Zudem ist es besonders chemikalienbeständig, elektrisch isolierend und robust gegen mechanische Einwirkungen. Es wird bei der Herstellung von militärischen Behältern, Transportboxen sowie bei technischen Textilien verwendet.

Abbildung: Kunststoffbehälter und Sandsäcke werden aus strapazierfähigem PP hergestellt

 

PEEK (Polyetheretherketon):

Es bietet extreme thermische Stabilität, geringe Feuchtigkeitsaufnahme, Abriebfestigkeit und Chemikalienbeständigkeit. Es wird für Flugzeugkomponenten, Dichtungen, elektrische Anschlüsse und Pumpenlaufräder verwendet. Bauteile aus diesem Hochleistungskunststoff können auch auf Dauer unter hoher Temperatur eingesetzt werden.

POM (Polyoxymethylen):

Es ist starr, abriebfest sowie chemikalien- und feuchtigkeitsbeständig und hat ein gutes Preis-/ Leistungsverhältnis. Als technischer Kunststoff wird es vor allem für Zahnräder, Gleitführungen, Griffe, wie auch Lager- und Sanitärkomponenten verwendet.

TPE (Thermoplastisches Elastomer):

Es bietet Materialstabilität, Einfärbbarkeit und gute thermische Eigenschaften. Die gummiartigen Materialeigenschaften machen es universell einsetzbar. TPE wird beispielsweise beim Umspritzen von Handgeräten, Nachtsichtgeräten, Schutzmasken, Stiefelsohlen und Soft-Touch-Griffen im 2K-Komponentenspritzguss verwendet.

PC (Polycarbonat):

Es ist temperaturbeständig, dimensionsstabil und zäh. Volltransparente Scheinwerfer aus reinem PC sind dabei ebenso realisierbar wie Schutzhelme, Schutzschilde & Konsolen aus glasfaserverstärktem PC (PC GF15).

Abbildung: Ausrüstung direkt am Soldaten (ops-core/~95% aus Kunststoff)

 

PA (Polyamid):

PA ist ein wahrer Alleskönner und der meistverwendete technische Kunststoff in sämtlichen Branchen. Es zeichnet sich besonders durch seine Schlagzähigkeit, Abrieb- und Verschleißfestigkeit und auch Chemikalienbeständigkeit aus. Es wird für Rollen, Räder, Zahnräder und Buchsen verwendet. Durch die unterschiedlichsten Polyamidtypen (PA, PA6, PA6.6, PA+GF) kann ein breites Anwendungsspektrum abgedeckt werden.

Abbildung: Kunststoffgriffe und robuste Gehäusekomponenten aus PA-Kunststoffen

 

PET (Polyethylenterephthalat):

Es ist chemikalienbeständig, steif, einfach zu verarbeiten und kostengünstig. Es wird für Nocken, Getriebe, elektrische Komponenten, Filter, Flüssigkeitsbehälter und Ventile verwendet.

ABS-Kunststoff (Acrylnitril/Butadien/Styrol):

Das Material ist durch die Kombination aus drei unterschiedlichen Ausgangsstoffen ein Allroundmaterial in der Kunststofftechnik. Es vereint thermische und chemische Beständigkeit mit hervorragenden optischen und haptischen Eigenschaften bei ausgezeichneter Formbarkeit. Zudem lässt sich dieser Kunststoff sehr gut kleben und eignet sich optimal für das Tiefziehen. Technische Anwendungen für diesen Kunststoff sind unter anderem Luftführungen, Gehäuse für Elektronikbauteile, Knöpfe und großflächige Abdeckungen im Interieur.

Abbildung: Luftführung aus ABS-Kunststoff für militärische Einsatzfahrzeuge

 

PVC (Polyvinylchlorid):

Es ist robust und dennoch flexibel, schwer entflammbar und kostengünstig. Es wird in der elektrischen Isolierung und in Stiefelsohlen verwendet. 

Die großen Potentiale durch den Einsatz von Kunststoffen

Durch den Einsatz von Kunststoffen anstatt von Metallen ergeben sich für die Wehrtechnik bei bestimmten Anwendungen wesentliche Vorteile, welche die Einsatzfähigkeit erhöhen und dabei auch die Kosten senken können. Diese werden in Folge kurz beschrieben.

GERINGERES GEWICHT

Kunststoffe sind in etwa 40% leichter als Metalle. Die Ausstattung eines Militärfahrzeugs mit Kunststoffteilen kann somit zur einer verbesserten Kraftstoffeffizienz, Leistung und Einsatzfähigkeit beitragen. Bei Truppen können Ausrüstungsgegenstände mit Kunststoffkomponenten die effizientere Mobilität des Soldaten ermöglichen.
Die Werkstoffdichten im Vergleich:

  • Stahl: 7,8 kg/dm3
  • Aluminium: 2,7 kg/dm3
  • Kunststoff: 1,0 kg/dm3 (Durschnitt Thermoplaste)

Abbildung: Leichtes Batteriegehäuse aus Kunststoff mit Metallinserts

 

GESTALTUNGS- UND MONTAGEFREIHEIT

Kunststoffkomponenten bieten mehr Gestaltungsfreiheit sowie weniger Montagebeschränkungen. Zudem wird das Fügen mehrerer Komponenten zu einem einzigen Bauteil trotz hoher geometrischer Komplexität ermöglicht. Kunststoffkomponenten können praktisch in jeder Farbe und Geometrie ausgeführt werden, was die Tarnfähigkeit und Effizienz wesentlich erhöht.

ÜBERLEGENE HALTBARKEIT

Kunststoffe sind für die heutigen militärischen Einsatzgebiete bestens geeignet und bieten eine außergewöhnliche Beständigkeit gegen Hitze, Chemikalien, Feuchtigkeit und Stöße. Dabei haben die Festigkeit und Haltbarkeit von Kunststoffen im Laufe der Jahre stark zugenommen. Die leichten Materialien von heute halten somit selbst den härtesten Umgebungsbedingungen stand.

Der richtige Partner macht`s möglich

Die Entscheidung für Kunststoff anstatt von Metall wird angesichts der vielen Vorteile wie dem geringeren Gewicht, der geringen Materialkosten, der kürzeren Fertigungszeiten und den verlängerten Werkzeugstandzeiten immer attraktiver. Leichtbau für militärische Anwendungen, sprich der Wechsel von Metall zu Kunststoff, erfordert einen Partner mit ausreichend Wissen, Fähigkeiten und Erfahrung, sodass Ihre einzigartigen Anforderungen bestmöglich umgesetzt werden können. Gerade bei bestehenden Komponenten aus Metall ist das Potential der Gewichtsreduktion und Leistungssteigerung enorm. Branchenspezifisches Know-How in der Konstruktion ermöglicht es, die Einsatzkräfte mit mehr Technik bei geringerem Gewicht auszustatten.

Fazit

Der Einsatz von Kunststoffteilen im militärischen Bereich ist mittlerweile nicht mehr wegzudenken. Die hergestellten Produkte sind leicht und widerstandsfähig gegen Beschädigung und Verschleiß. Wenn Sie ein Kunststoffteil neu entwickeln oder ein bestehendes Produkt verbessern möchten, sollten Sie einen Partner mit umfangreichem wehrtechnischen Fachwissen einbeziehen.