Prototypen in der Medizintechnik: 6 Gründe die für Vakuumguss sprechen

Prototypen in der Medizintechnik: 6 Gründe die für Vakuumguss sprechen
Autor:
Martin Hintsteiner
Veröffentlicht:
February 29, 2024

Inhaltsverzeichnis:

  1. Schnelligkeit durch effizienten Werkzeugbau
  2. Qualität durch Genauigkeit
  3. Materialvielfalt und Mehrkomponenten-Teile
  4. Matrialeigenschaften gemäß Normen & Anforderungen
  5. Wirtschaftliche durch geringe Werkzeug- und Entwicklungskosten
  6. Individualität durch Farbvielfalt
  7. Fazit

Bevor medizintechnische Bauteile in Serie gehen, werden davon Prototypen erzeugt, um deren Funktionstüchtigkeit zu überprüfen. Prototypen werden dabei beispielsweise zur Abwicklung technischer Tests und Zertifizierungen eingesetzt. Zudem werden sie auch als Designmodell und für das Benchmarking verwendet.

Eines der effizientesten und wirtschaftlichsten Verfahren zur Herstellung von Kunststoffprototypen für die Medizintechnik ist der Vakuumguss. Dieses Rapid-Prototyping-Verfahren ermöglicht die exakte und rasche Vorbereitung eines Produktes für die folgende Serien- oder Massenproduktion beispielsweise anhand des Spritzgusses.

Abbildung 1: Vakuumguss Medizintechnik

Für den Spritzguss werden zumeist kostspielige und aufwendige Stahlwerkzeuge benötigt. Gerade deshalb ist es dabei ratsam vorerst einige Prototypen im Vakuumgussverfahren herzustellen. Dem Produktingenieur ist es dadurch möglich das Produkt- und Werkzeugdesign zu perfektionieren bevor das Serienwerkzeug bzw. Spritzgusswerkzeug gefertigt wird. Zusätzliche Kosten für die Nacharbeit oder Optimierung des Werkzeuges können somit weitestgehend vermieden werden. Die mit Vakuumguss hergestellten Prototypen sind dabei zudem von sehr hoher Qualität, weshalb diese auch in den meisten Fällen gleich für die Abwicklung erforderlicher technischer Tests verwendet werden können.

Folgend beschreiben wir anhand des Vakuumgussprozesses, welche Potentiale sich für die Medizintechnik durch den Einsatz dieses Rapid-Prototyping-Verfahrens ergeben.

Schnelligkeit durch effizienten Werkzeugbau

Der Vakuumguss-Prozess startet mit der Erstellung eines Urmodells. Dieses wird anhand von 3D-Daten mittels 3D-Druck (meist ausgeführt als Stereolithographiemodell) oder CNC-Fräsen hergestellt. Die Qualität eines Vakuumgussteils ist immer abhängig von der Qualität des Urmodells. Hier gilt es einerseits dem Oberflächenfinish als auch der Maßhaltigkeit (Toleranzen) höchste Beachtung zu schenken.

Abbildung 2: Herstellung des Mastermodels (Urmodell) mittels generativer Fertigungsverfahren

 

Sobald das Urmodell fertig ist, kann daraus in weniger als zwei Tagen eine Silikonform hergestellt werden – ein Tag zum Gießen des Silikons, ein weiterer Tag zum vollständigen Aushärten. Silikon-Vakuumguss ist dabei in puncto Schnelligkeit jedem anderem Verfahren hinsichtlich des Werkzeugbaus weit überlegen. Nach Fertigstellung des Werkzeuges kann in kürzester Zeit mit dem eigentlichen Vakuumgießen begonnen werden. Die Herstellung von ersten Teilen aus Polyurethan kann somit innerhalb einer Woche erfolgen.

Qualität durch Genauigkeit

Mit PU-Vakuumguss kann das Urmodell exakt in den richtigen Materialien abgebildet werden. Das bezieht sich nicht nur auf die Abmessungen und die Toleranzen, sondern auch feine Oberflächendetails und Texturen. Beispielsweise kann die Oberfläche auch so ausgeführt werden, dass diese die passende Struktur für eine folgende Lackierung aufweist und das Bauteil nicht nochmals in einem separaten Schritt vorbehandelt werden muss. Gegossene Prototypen können somit genauso aussehen und funktionieren wie die später im Spritzguss hergestellten Serienteile.

Abbildung 3: Durch das Abformen des Ur-/Ausgangmodells wird die Oberflächenbeschaffenheit exakt in die Silikonform übertragen.

Materialvielfalt und Mehrkomponenten-Teile

In der Medizintechnik kommen Kunststoffbauteile zumeist in Form von Gehäusen zum Einsatz, in welchen Panels, Bildschirme, Knöpfe, Tastaturen und andere interaktive Elemente integriert sind. Bestandteile wie Bedienoberflächen, Tastaturen, Kantenschützer werden dabei oft als weiches Elastomerteil ausgeführt. Elastomerteile haben sowohl eine Design- als auch eine Schutzfunktion. Vor allem die Herstellung solcher Mehrkomponenten-Teile ist mit einem Silikonwerkzeug im Vergleich zur Herstellung mit Spritzgusswerkzeugen um ein vielfaches einfacher und wirtschaftlicher.

Materialeigenschaften gemäß Normen & Anforderungen

Produkte, die im Gesundheitswesen verwendet werden, müssen viele verschiedene chemische und mechanische Eigenschaften aufweisen, darunter:

  • Steifigkeit
  • Hitzebeständigkeit
  • Beständigkeit gegen ausgewiesene Chemikalien
  • Sterilisierbarkeit
  • Kompatibilität mit speziellen Reinigungsmitteln für den Gesundheitsbereich
  • Biokompatibilität

Verschiedene PU-Materialhersteller führen spezielle PU-Gießharze, die ebendiese Anforderungen erfüllen. So können Prototypen sowohl hinsichtlich speziell definierter Anwendungsanforderungen, als auch gemäß von Zertifizierungsvorgaben der FDA hergestellt werden.

Durch die seriennahe Materialauswahl können auch erste Feld- und Markttests durchgeführt werden. Produktentwicklern ist es dadurch möglich bereits vorab wertvolle Informationen zur Erstellung der Serienwerkzeuge für den Spritzguss zu gewinnen.

Abbildung 4: Transparentes Vakuumgussteil veredelt mit Tampondruck

Wirtschaftlichkeit durch geringe Werkzeug- und Entwicklungskosten

Ein kritischer Faktor in jeder Phase der Produktentwicklung sind die Kosten, da sich diese schlussendlich auf den Marktpreis und daraus resultierend auf die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens auswirken. Gerade im Vergleich zu anderen Verfahren, die es zur Herstellung von Kleinserien oder Vorserien gibt, wie dem CNC-Fräsen oder Spritzguss, punktet das Silikonwerkzeug neben der Schnelligkeit besonders auch mit geringen Herstellkosten.

Individualität durch Farbvielfalt

Ein weiterer einzigartiger Vorteil des Vakuumgießens besteht darin, dass Harze mit Farbstoffen und Pigmenten eingefärbt werden können, sofern ein Material gewählt wird das im unverarbeiteten Zustand transparent ist. Somit können Produkte durchgefärbt in jedem gewünschten RAL-, Pantone- oder NCS-Farbcode hergestellt und ein zusätzlicher Lackiervorgang eingespart werden. Gerade auch für Markttests können die einzelnen Gussvarianten ohne weitere Mehrkosten unterschiedlich eingefärbt werden.

Abbildung 5: Vakuumgussteile können ohne Nacharbeit lichtdurchlässig, hochtransparent oder durchgefärbt gefertigt werden.

Fazit

Schnelligkeit, Qualität und Wirtschaftlichkeit ist in jeder Branche gefordert. Mit dem PU-Vakuumguss kann aber noch mehr erreicht werden, was gerade in der Medizinbranche aufgrund der hohen Anforderungen besonders von Vorteil ist. Prototypen für einzelne Baugruppenelemente, welche letztendlich ein gesamtes Produkt darstellen, können mit dem Vakuumguss rasch und günstig hergestellt werden. Dies ermöglicht, dass jede einzelne Teilkomponente auf ihre Anforderungen überprüft werden kann.

Mit der Herstellung nur eines Werkzeugs können mehrere Materialvarianten gegossen werden. Dadurch können Unsicherheiten betreffend der Materialwahl schon in der Prototypenphase beseitigt werden.

Und zu guter Letzt können Vakuumgussteile ohne Mehrkosten für Designstudien hinsichtlich der farblichen Gestaltung  unterschiedlich eingefärbt werden. Von A wie Akzeptanz bis Z wie Zulassung (FDA) kann somit ziemlich jeder Anspruch an Prototypen erfüllt werden.