Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) bei Bauteilen aus Kunststoffen und Faserverbundwerkstoffen

Elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) bei Bauteilen aus Kunststoffen und Faserverbundwerkstoffen
Autor:
Julian Stopper
Veröffentlicht:
25. Februar 2025
January 5, 2024

Der rasante Fortschritt der Technologie führt zu einer beträchtlichen Leistungssteigerung verschiedenster elektronischer Geräte, welche in den unterschiedlichsten Anwendungsgebieten verwendet werden. Der Einsatz elektronischer Geräte nimmt demnach sowohl im herkömmlichen Alltag, als auch in der Wissenschaft einen großen Platz ein. Mehr und mehr Geräte kommen zum Einsatz und interagieren in Zeiten der Digitalisierung miteinander, was auch bedeutet, dass es vermehrt zu elektromagnetischen Störstrahlungen kommen kann. Jene elektromagnetischen Störstrahlungen beeinflussen die Geräte untereinander und können sogar bis zum Systemausfall führen. Aufgrund dessen wird dem Thema der elektromagnetischen Verträglichkeit, kurz EMV, immer mehr Aufmerksamkeit zu teil.

Elektromagnetische Verträglichkeit bezeichnet die Fähigkeit eines technischen Geräts, andere Geräte nicht durch ungewollte elektrische oder elektromagnetische Effekte zu stören oder durch andere Geräte gestört zu werden. Zur Gewährleistung von EMV werden elektrische Einrichtungen deshalb zumeist in abschirmende Gehäuse eingebracht. Diese Gehäuse sollen in den meisten Fällen zudem auch der Philosophie des Leichtbaus folgen. Somit ist eine ressourcenschonende Fertigung von Bauteilen mit dem geringstmöglichen Gewicht das oberste Ziel. Um dies bewerkstelligen zu können, muss auf geeignete Werkstoffe zurückgegriffen werden. Zum Einsatz kommen daher des Öfteren Kunststoffe und Faserverbundwerkstoffe, wie Carbon. Die Komplexität hierbei besteht darin, dass Kunststoffe oder Carbon (CFK) kaum bzw. nur beschränkte abschirmende Eigenschaften besitzen. Daher müssen diese Materialien speziell behandelt werden, um eine geeignete abschirmende Wirkung zu erhalten.

Dieser Blogartikel liefert einen Überblick zum Thema EMV und beschreibt, welche Maßnahmen getroffen werden können, um EMV-Gehäuse aus Kunststoffen oder Faserverbundwerkstoffen herstellen zu können.

Was bedeutet EMV?

EMV steht für elektromagnetische Verträglichkeit und ist die Fähigkeit einer elektrischen Einrichtung, in ihrer elektromagnetischen Umgebung zufriedenstellend zu funktionieren, ohne diese Umgebung, zu der auch andere Einrichtungen gehören, unzulässig zu beeinflussen (DIN VDE 0870 -1).

Elektrische Geräte oder Systeme können elektromagnetische Störungen, die sogenannte Emission, aussenden und somit als Störquelle für andere Geräte fungieren. Die Störungen können von anderen Einrichtungen, den Störsenken (Immission), aufgenommen werden und den Betrieb dieser stark beeinträchtigen und sogar zum totalen Stillstand dieser führen, was je nach Anwendungsgebiet, schwerwiegende Konsequenzen mit sich bringen kann. Die Ausbreitung der elektromagnetischen Störungen kann dabei sowohl leitungsgebunden, als auch durch elektromagnetische Wellen geschehen und wird als Kopplungspfad bezeichnet.

Ausschlaggebend zur Sicherstellung der elektromagnetisch verträglichen Funktion elektrischer Einrichtungen sind deren sachgerechter Aufbau und Gestaltung. Nachweis und Bestätigung von Störunempfindlichkeit und ausreichend geringer Störaussendung sind in EMV-Richtlinien und EMV-Normen klar definiert (Fachgrundnormen, Produktnormen, Prüfnormen, Luftfahrtnormen, Militärische Normen, etc.). In den Normen sind Grenzwerte zur Störfestigkeit oder zur Störaussendung festgelegt. Elektrische Geräte dürfen daher nicht zu viele Emissionen aussenden und müssen selbst wiederum ausreichend resistent gegen Störeinflüsse sein.

Störfrequenzen, vor allem im Hochfrequenzbereich (30MHz – 3 GHz), müssen somit für einen einwandfreien Betrieb von elektronischen Einrichtungen abgeschirmt werden. Um Störungen vermeiden zu können, müssen elektrisch leitfähige Netzwerke geschaffen werden. Somit müssen für eine abschirmende Wirkung elektrisch leitfähige Materialien eingesetzt oder nicht bzw. nur bedingt leitbare Werkstoffe leitfähig gemacht werden.

EMV- Gehäuse aus Carbon und Kunststoff -Die Motivation

In der technischen Konzeption und Entwicklung werden durch den technologischen Fortschritt somit vermehrt neue Bedürfnisse in den Vordergrund gedrängt. Wie anfangs erwähnt, wird in etwa durch die Digitalisierung und der damit einhergehenden zunehmenden Interaktion elektronischer Geräte das Thema EMV immer wichtiger.

Abbildung 1: Leichtbauteil mit Abschirmung gegen elektromagnetische Störfelder

Auch der Leichtbau ist eine jener Entwicklungen, welche über die letzten Jahre hinweg vermehrt Einzug in den unterschiedlichsten Industrien gehalten hat. Objekte so leicht und einfach wie möglich, mit ressourcenschonender Art und Weise zu produzieren und fertigen, ist das oberste Ziel dieser Konstruktionsphilosophie. Branchen wie die Luftfahrt oder der Automobilsektor sind Vorreiter. Doch um Leichtbau auch umsetzen zu können, sind Innovationen in den Bereichen Technologie und Werkstoff notwendig.

Wird über Leichtbau gesprochen, so kommt man deswegen auch nur schwer um innovative Kunststoffe oder Faserverbundwerkstoffe, wie Carbon, und deren Verarbeitung herum. Solchen Werkstoffen wird aufgrund ihrer hervorragenden Eigenschaften immer mehr Aufmerksamkeit der unterschiedlichsten Branchen geschenkt. Durch den Einsatz dieser leistungsstarken Materialien ergeben sich daher vollkommen neue Möglichkeiten. Konstruktionsfreiheit, geringstes Gewicht, hervorragende mechanische Eigenschaften, wie auch chemische Beständigkeit sind nur einige der Vorzüge, die beispielsweise Carbon mit sich bringt.

Genau diese Vorteile sind auch der Grund dafür, warum bei Gehäusen von elektronischen Geräten oder Systemen immer mehr auf die innovativen Werkstoffe zurückgegriffen wird. Jene Materialien sind per se jedoch kaum oder nur bedingt leitfähig. Aufgrund dessen müssen spezielle Maßnahmen ergriffen werden, um jene Werkstoffe leitfähig zu machen.

EMV - Gehäuse aus Carbon und Kunststoff - Die Herstellung

Moderne Lösungen gewährleisten die Forderung nach elektro­magnetischer Verträg­lic­hkeit (EMV) von elektronischen Geräten durch Leichtbau-Gehäuse aus Kunststoff oder Faserverbundwerkstoffen. Um jene EMV-Gehäuse elektrisch leitfähig zu machen, bestehen verschiedene Ansätze. Wir, die Hintsteiner-Group, beschäftigen uns bereits seit geraumer Zeit mit dieser Thematik und wenden zur Gewährleistung von EMV-Eigenschaften an unseren produzierten Gehäusen, Abdeckungen, Strukturen usw. unterschiedlichste Methoden an.

Lackieren mit EMV-Schutzlack

EMV-Lacke sind hochleitfähige Schutzlacke, zumeist auf Kupfer- oder Aluminiumbasis, zur Abschirmung von elektromagnetischen Wellen. EMV-Lack ist leicht zu verarbeiten und hat eine hohe Stabilität, selbst bei widrigen Umwelteinflüssen wie z. B. Wärme und Nässe. Er greift die zu lackierenden Materialien nicht an und trocknet schnell. Die Lackschicht wird je nach Art des Lackes auf der Innenseite der EMV-Gehäuse gezielt aufgesprüht oder mit Hilfe einer Malerrolle aufgetragen.

Abbildung 2: Leitfähige Kupferlackbeschichtung

Einlegen von EMV-Mesh

Bereits während des Legeprozesses von Carbon-Komponenten können metallische Abschirmgewebe (Mesh) in den Lagenaufbau integriert werden. Jene Gewebe besitzen eine hohe Abschirmwirkung und sind aufgrund der Einbringung in die Carbon-Konstruktion äußerst widerstandsfähig und verschleißfest. Auch hier wird zumeist auf Gewebe aus Kupfer oder Aluminium zurückgegriffen.

Abbildung 3: Abschirmgewebe aus Kupfer

Beschichtung mit leitfähigen Materialien

Ein weiterer Ansatz ist es die Carbon- bzw. Kunststoffgehäuse durch spezielle Beschichtungsverfahren mit leitfähigem Material zu beschichten. Dabei wird, wie beim Lackieren mit EMV-Schutzlack, eine leitfähige Sicht auf der Innenseite der Gehäuse aufgetragen. Ebenso wird bei dieser Methode auf metallische Beschichtungsstoffe wie beispielsweise Aluminium- oder Kupferpulver zurückgegriffen. Verfahren welche häufig zur Erzeugung von Abschirmschichten auf Kunststoffgehäusen angewandt werden sind das PVD-Bedampfen, das Flamm-, Plasma- und Lichtbogenspritzen oder das Galvanisieren. Jene Beschichtungen überzeugen durch eine hervorragende Leitfähigkeit und guten Halt auf den Gehäusen.

Im Zuge dieses Artikels wurden im Wesentlichen jene Methoden beschrieben, welche von der Hintsteiner-Group bei der Erzeugung von EMV-Gehäusen aus Carbon oder Kunststoffen vermehrt eingesetzt werden. Natürlich existieren auch andere Ansätze, wie das Einkleben von EMV-Folien oder das Einbringen von leitfähigen Fasern in den Gehäusewerkstoff, auf welche jedoch nicht näher eingegangen wird. Folgend wird nun ein Überblick über die Einsatzgebiete von EMV-Gehäusen aus Kunststoffen und Carbon geliefert.

Einsatzgebiete von EMV-Gehäusen aus Carbon und Kunststoff

Komponenten mit EMV-Eigenschaften aus Carbon und Kunststoffen finden in den unterschiedlichsten Branchen und Einsatzgebieten Anwendung. Folgend werden etwaige Anwendungsgebiete exemplarisch gelistet:

  • Wehrindustrie: Elektronische Einrichtungen in verschiedensten militärischen Anwendungen, wie Navigationssysteme für militärische Schiffe oder Fahrzeuge, ...
  • Automotivesektor: Automobilelektronik, Infotainment, Elektronikmodule, ...
  • Gesundheitswesen:  Diagnosegeräte
  • Messtechnik: Mess- und Prüfsysteme
  • Telekommunikation und drahtlose Kommunikation: Smartphones, Telefon- und Netzwerkleitungen, ...
  • Unterhaltungselektronik: Fernseher, Tablets, Smartphones, ...
  • Navigationselektronik: Navigationssysteme für den militärischen und zivilen Bereich

Fazit

Neue Entwicklungen erzeugen neue Anforderungen! Durch den rasanten technologischen Fortschritt und der damit einhergehenden Leistungssteigerung von elektronischen Betriebsmitteln steigt deren Einsatz in den unterschiedlichsten Anwendungsgebieten stark an. Durch den zunehmenden Gebrauch von elektrischen Geräten kann es vermehrt zu Aussendung von elektromagnetischen Störsendungen kommen. Diese elektromagnetischen Störstrahlungen beeinflussen die Geräte untereinander und können sogar bis zum Systemausfall führen. Je nach Anwendungsgebiet können diese Einflüsse gravierende Konsequenzen mit sich bringen, beispielswese bei medizinischen oder militärischen Anwendungen. Aufgrund dessen wird dem Thema der elektromagnetischen Verträglichkeit, kurz EMV, immer mehr Aufmerksamkeit gegeben.

Abbildung 4: Kunststoffgehäuse mit Kupferlackbeschichtung

Auch der Leichtbau ist eine jener Entwicklungen, welche über die letzten Jahre hinweg vermehrt Einzug in unterschiedlichsten Industrien gehalten hat. Objekte so leicht und einfach wie möglich, mit ressourcensparender Art und Weise zu produzieren und fertigen, gilt hierbei als oberstes Gebot. Um diese Anforderungen zu gewährleisten, kommen vor allem Kunststoffe und Faserverbundwerkstoffe zum Einsatz. Aufgrund der hervorragenden Eigenschaften von Faserverbundwerkstoffen, wie Carbon, werden auch elektrische Einrichtungen immer mehr in Gehäusen aus solch innovativen Werkstoffen eingebracht. Jene Materialien sind per se jedoch nicht oder nur bedingt leitfähig. Dementsprechend ist es notwendig diese Gehäuse gezielt zu bearbeiten, um eine Abschirmung gegen Störsendungen garantieren zu können.

Für jene Bearbeitung können unterschiedlichste Verfahren angewandt werden. Das Lackieren oder Beschichten der definierten Gehäuseoberflächen mit leitfähigen Materialien (z.B.: Lacke oder Pulver auf Kupferbasis), wie auch das Einbringen von EMV-Geweben während des Produktionsprozesses (z.B.: Kupfer-Mesh) sind Möglichkeiten, welche hierbei oft zum Einsatz kommen. Somit lassen sich die Anforderungen an EMV und Leichtbau sehr gut vereinen, um letztendlich moderne EMV-Gehäuselösungen für unterschiedlichste zivile, militärische und industrielle Anwendungen herzustellen.