Schon früh in der Produktentwicklungsphase muss entschieden werden, aus welchem Material ein Produkt später auf den Markt kommt. Das Material wiederum steht in Korrelation mit den Herstellungsverfahren. Im Gegensatz zu traditionellen Werkstoffen wie Glas, Metall oder Holz ist es vor allem die Breite an physikalischen und chemischen Eigenschaften die Kunststoffe auszeichnet. Je nach Bedarf (mechanische Festigkeit, Zähigkeit, Temperaturbeständigkeit, chemische Resistenz,…) und Anwendung kann der passende Kunststoff verarbeitet werden. Und bei der Verarbeitung dieser gilt es verschiedenste Faktoren zu berücksichtigen, welche letztendlich zur Auswahl eines passenden Herstellungsverfahrens beitragen.
Dieser Beitrag soll ein Ratgeber sein, welcher einen Überblick über die gängigsten Verfahren bietet und bei der Auswahl des geeignetsten für Ihren konkreten Anwendungsfall unterstützt.
1. Welche Faktoren muss ich bei der Verfahrensauswahl berücksichtigen?
2. Welche Verfahren kommen in Frage?
3. Fazit
Folgend werden die wichtigsten Faktoren beschrieben, welche bei der Auswahl des geeigneten Herstellungsverfahrens auf jeden Fall bereits vorab berücksichtigt werden sollten.
Die Informationen aus dem Lastenheft sind immer hilfreich um zu bestimmen, welche Verfahren für die Bauteilfertigung infrage kommen. Dabei müssen definierte Spezifikationen zwingend eingehalten und als Basisinformation herangezogen werden. Die Komplexität der Geometrie, wie auch die geforderten Toleranzen liefern einen relevanten Anhaltspunkt zur Verfahrenswahl. Anschließend kann nach dem Prinzip des „Design for Manufacturing“ konstruiert werden, wobei die Produkte so gestaltet werden, dass sie so wirtschaftlich wie möglich herzustellen sind. Die Konstruktion wird dabei optimal auf das gewählte Verfahren angepasst. Hierbei empfiehlt es sich, so früh wie möglich geeignete Entwicklungs- oder Fertigungspartner zu involvieren, welche durch ihre Erfahrung in der Regel schon zu Beginn des Innovationsprozesses einen wertvollen Beitrag bei der Auswahl und Auslegung leisten können.
Verfahren für große Stückzahlen bergen hohe Initialkosten und dafür niedrige Kosten pro Teil. Im Gegensatz dazu sind die Initialkosten bei Verfahren, welche für kleinere Stückzahlen geeignet sind niedrig. Sie besitzen zugleich aber einen geringen Automatisierungsgrad und benötigen dementsprechend viel Handarbeit. Dadurch bleiben die Kosten pro Teil auch bei steigendem Produktionsvolumen gleich oder sinken nur unerheblich. Demnach gilt es vorab, Forecasts hinsichtlich der benötigten Stückzahlen anzustellen, um die wirtschaftlichste Lösung zu finden.
Gängige Rapid-Prototyping-Verfahren ermöglichen eine Fertigstellung innerhalb von 24 Stunden, während die Fertigung von Serienwerkzeugen und die Erstellung von Erstmustern meist einige Wochen dauert. Jedoch ergibt sich auch hier derselbe Effekt wie beim Faktor Stückzahl. Bei Verfahren mit hohen Initialkosten werden die Teilepreise durch den steigenden Automatisierungsgrad nicht nur günstiger, sondern auch die Durchlaufzeiten verkürzen sich wesentlich. Dementsprechend muss bestimmt werden, wie dringend erste Bauteile benötigt werden. Eine gewisse Dringlichkeit lässt sich vorübergehend auch mit einer Bauteilfertigung durch Vor- bzw. Kleinserienverfahren überbrücken.
Hier empfiehlt es sich, schon zu Beginn der Produktentwicklung mit dem zukünftigen Fertigungspartner verschiedene Varianten zu bewerten, denn nicht jedes Material kann mit jedem Verfahren verarbeitet werden. Die Erfahrung wie auch die Material- und Technologiebreite eines Herstellers spielen bei einer solchen Evaluierung eine große Rolle. Bei geeigneter technologischer Aufstellung und Ausrichtung eines Partners kann dieser sowohl Vor- und Nachteile aufzeigen, als auch geeignete Lösungen gemäß der geforderten Eigenschaften finden, da er als One-Stop-Shop fungieren und kundenorientiert beraten kann.
Auch hier empfiehlt es sich, immer den Ansatz „Design for Manufacturing“ zu berücksichtigen. Oft werden erhebliche Mehrkosten durch Details verursacht, die keine Funktion haben und ohne weiteres weggelassen bzw. modifiziert werden können. Diese sollten früh identifiziert und optimiert werden. Bei der optimalen Auslegung kann Ihnen in der Regel der gewählte Entwicklungs- bzw. Fertigungspartner helfen.
Anhand zuvor beschriebener Faktoren lässt sich einschätzen, wann der Einsatz eines bestimmten Fertigungsverfahrens am sinnvollsten und wirtschaftlichsten ist. Dahingehend werden die gängigsten Verfahren, unter Berücksichtigung jener Faktoren, nun näher erläutert.
Werden wenige Teile in kürzester Zeit benötigt, kommen verschiedene Technologien zur Prototypenfertigung in Frage. Jedes dieser Verfahren bedient unterschiedliche Anforderungen an Materialeigenschaften und die Oberflächenbeschaffenheit. Trotzdem ermöglicht jedes eine schnelle und wirtschaftliche Umsetzung.
Aufgrund der hohen Genauigkeit und der Möglichkeit eines hochwertigen Oberflächenfinishs eignen sich Stereolithographiemodelle als Designmuster oder als Urmodelle zur Erstellung von Silikonformen für den Vakuumguss.
Material: Expoxidharz
Oberfläche: Kommen die Teile aus der Maschine sind Baustufen und Anschlusspunkte der Stützgeometrie sichtbar. Beides lässt sich problemlos schleifen. Nach dem Sandstrahlen mit Edelkorund lässt sich von der matten, strukturieren Oberfläche bis zur Hochglanzlackierung alles umsetzen.
Anwendungen:
Werden funktionsfähige Bauteile oder funktionelle Bauteile benötigt, ist das SLS-Verfahren die erste Wahl.
Material: PA (Polyamid)
Oberfläche: Die Baustufen sind sichtbar – aber auch hier sind alle gewünschten Oberflächen durch füllern und lackieren umsetzbar.
Anwendungen:
Werden nur ein oder wenige Bauteile in kürzester Zeit benötigt und müssen diese die Anforderungen des Serienmaterials erfüllen, so stellen CNC gefräste Bauteile aktuell die einzige Alternative dar.
Material: von PC über ABS bis hin zu glasfaserverstärkten Kunststoffen, wie PA 15GF
Oberfläche: Die Bauteile liefern bereits direkt nach der maschinellen Bearbeitung optimale Resultate hinsichtlich der
Oberfläche und benötigen meist nur wenige Verfeinerungen.
Anwendungen:
Klein- und Vorserien findet man zumeist in Nischensegmenten, wo die benötigten Stückzahlen die Initialkosten eines Stahlwerkzeuges noch nicht rechtfertigen. Des Weiteren werden Kleinserien gerne für Markttests oder Funktionstests eingesetzt.
Nach der Fertigung eines Urmodells (meist Stereolithographie) können mittels Silikonform Vakuumgussteile erstellt werden. Die Erstellung eines Silikonwerkzeugs ist in der Regel unkompliziert und äußerst wirtschaftlich umsetzbar.
Material: Im Vakuumgussverfahren werden 2K-Polyurethane eingesetzt. Hier gibt es eine große Bandbreite an Materialien, welche den Serienmaterialien schon sehr ähnlich sind. Abgedeckt werden auch spezielle Materialeigenschaften wie z.B. UV-Beständigkeit oder Angaben zur Brennbarkeit nach UL94. PUR-Elastomere mit Lebensmitteltauglichkeit oder Härten von Shore 30 A bis Shore 90 A sind ebenfalls verfügbar.
Oberfläche:Vakuumgussteile kommen gewöhnlich schon in der gewünschten Farbe und Oberflächenstruktur aus dem Werkzeug. Nichtsdestotrotz kann das PU-Vakuumgussteil lackiert, bedruckt und beschichtet werden.
Anwendungen:
Beim RIM-Verfahren werden Polyol und Isocyanat miteinander vermischt. Das reaktive Gemisch wird in das Werkzeug (meist aus Aluminium oder Polymerbeton) injiziert und härtet anschließend in der Form aus, wodurch das gewünschte Formteil entsteht.
Material: Die Auswahl an Materialien ist limitiert – trotzdem überzeugen RIM Bauteile durch hohe Stabilität bei geringem Gewicht, Wärmeformbeständigkeit sowie hervorragende mechanische Eigenschaften. Für die Schienenindustrie oder für den Fahrzeug-Innenraum gibt es abgestimmte Polyurethane, die den erforderlichen Normen entsprechen (UL94 V0, uvm.). Aufgrund des geringen Betriebsdrucks während der Bauteilfertigung ist es auch bestens zum Umgießen von Komponenten geeignet, die sehr drucksensibel sind (bestückte Leiterplatten, empfindliche elektronische Komponenten).
Oberfläche: RIM-Teile werden, sofern sie nicht reine Funktionsteile sind, nachträglich lackiert. Ebenso sind sowohl Bedruckungen, als auch andere Beschichtungen möglich.
Anwendungen:
Für das Spritzgussverfahren werden Werkzeuge aus Aluminium oder Stahl gefertigt. Die hohe Standzeit und der ausgeprägte Automatisierungsgrad der Werkzeuge ermöglichen eine hohe Reproduzierbarkeit und geringe Teilekosten bei schnellen Durchlaufzeiten. Die Serienfertigung wird dadurch meistens mit hohen Werkzeugkosten assoziiert. Hierbei empfiehlt es sich, möglichst früh den Kontakt zu einem Experten zu suchen. Die gekonnte Betrachtung der Werkzeugkosten und des Teilepreises über die Gesamtlaufzeit eines Projekts bringt zusätzliche Planungssicherheit. Zudem können nützliche Tipps in die Auslegung einfließen, wodurch das Metallwerkzeug schon früher als erwartet eine wirtschaftliche Option ist.
Die Werkzeuge in der Serienfertigung werden, abhängig von der geforderten Ausbringung, aus Aluminium oder Stahl gefertigt. Eine wirtschaftliche Lösung ist die Fertigung von Werkzeugeinsätzen aus Stahl. Auch hier gilt es, ein besonderes Augenmerk auf die Lieferantenauswahl zu legen.
Die Materialauswahl im Spritzguss ist so vielfältig, dass die Eingrenzung schwerer fällt als die Auswahl. Hier ein Auszug gängiger Materialen:
Müssen die bestehenden Materialeigenschaften verstärkt oder die Bauteiloberfläche optisch ansprechender gestaltet werden, können die meisten Kunststoffe problemlos oberflächenbehandelt werden.
Durch die Oberflächenveredelung kann folgender Mehrwert geschaffen werden:
Bei der Auswahl eines geeigneten Verfahrens zur Oberflächenveredelung empfiehlt es sich ebenso eine Expertenmeinung einzuholen, um Kosten und Nutzen optimal abstimmen zu können. Neben sämtlichen Lackierungen können Kunststoffteile bedruckt, laserbeschriftet, bedampft oder foliert werden.
In der Kunststofftechnik gibt es viele Verfahren zur Herstellung von Bauteilen. Um das geeignetste für den konkreten Anwendungsfall zu finden, müssen Faktoren wie die benötigte Stückzahl, das zur Verfügung stehende Budget, die Komplexität der Geometrie aber auch die gewünschten Materialeigenschaften vorab definiert und spezifiziert werden. Anhand dieser Spezifikationen kann dann präzise evaluiert werden, welches Fertigungsverfahren am sinnvollsten und wirtschaftlichsten ist.
Werden beispielsweise große Stückzahlen in kürzester Zeit benötigt, kann man die Zeit, welche zur Fertigung für ein aufwendiges Serienwerkzeug benötigt wird, mit der Bauteilfertigung durch Verfahren für die Kleinserienherstellung überbrücken. Diese ermöglichen es nämlich schnell erste Ergebnisse zu liefern. Somit ist oft von Vorteil auf mehrere Verfahren zu setzen um eine effiziente Projektanlaufphase garantieren zu können. Ein Experte kann Ihnen dabei helfen, die richtige Vorgehensweise zu bestimmen.