Carbon Composites & Prepreg-Autoklav-Verfahren: Alles was Sie wissen sollten!

Carbon Composites & Prepreg-Autoklav-Verfahren: Alles was Sie wissen sollten!
Autor:
Jochen Schmidt
Veröffentlicht:
11. März 2025
January 5, 2024

Die Nachfrage nach hochkomplexen Carbon-Bauteilen mit hervorragenden mechanischen und thermischen Eigenschaften wird immer größer. Speziell in Hochleistungsbranchen mit kontinuierlich fortschreitenden Forschungs- & Entwicklungsaktivitäten steigt dieser Bedarf stetig. Um die Fertigung solcher komplizierten Bauteile auch gewährleisten zu können, ist der Einsatz von darauf abgestimmten Fertigungsverfahren notwendig. Betrachtet man den Bereich der Faserverbundverarbeitung, so ist eines dieser Verfahren die Autoklav-Prepreg-Technik. Mit Hilfe von diesem Verfahren lassen sich spezielle Bauteile mit hervorragenden Eigenschaften für Branchen wie die Luftfahrt, die Raumfahrt und den Motorsport herstellen. Was genau die Autoklav-Prepreg-Technik ist, welche Vorteile das Verfahren mit sich bringt, wie es funktioniert und in welchen Bereichen es angewandt werden kann, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Abbildung 1: Composite Autoklav der Fa. Hintsteiner mit einem nutzbaren Innendurchmesser von 2.2m und einer nutzbaren Länge von 3.5m

Was versteht man unter dem Prepreg-Autoklav-Verfahren?

Beim Prepreg-Verfahren werden mit Reaktionsharzen vorimprägnierte textile Faser-Matrix-Halbzeuge (Prepregs) in einem verschließbaren Druckbehälter (Autoklav) unter Wärmeeinwirkung und Druck ausgehärtet. Dazu werden die Prepregs (pre-impregnated fibres) exakt zugeschnitten und in genau definierter Reihenfolge und Ausrichtung in ein zuvor hergestelltes Formwerkzeug eingelegt. Anschließend härtet der in einem temperaturbeständigen Foliensack vakuumierte Prepreg-Lagenaufbau in der Form unter Temperatur im Autoklav aus und steht nach einer Abkühlungsphase zur weiteren Verarbeitung und Veredelung bereit. Der Autoklavdruck und das Evakuieren des Lagenpakets bewirken eine Kompaktierung des Fasermaterials und verhindern zudem mögliche Lufteinschlüsse.

Abbildung 2: Ablegen des Prepreg-Fasermaterials im Formwerkzeug

Wie läuft der Herstellungsprozess von Faserverbundkomponenten ab?

Der Herstellungsprozess von Leichtbaukomponenten aus Faserverbundwerkstoffen mit Hilfe der Prepreg-Autoklav-Technik benötigt mehrere Teilschritte.  Im Folgenden werden die wichtigsten Prozessschritte erläutert.

Abbildung 3: Herstellungsprozess von Leichtbaukomponenten

Formenbau

Um Bauteile aus Faserverbundstoffen fertigen zu können, werden spezielle Formwerkzeuge benötigt, in/auf welche die einzelnen Prepreglagen abgelegt werden. Jene Formen können aus unterschiedlichen Werkstoffen gefertigt werden. Für das Prepreg-Autoklav-Verfahren ist es notwendig Materialien einzusetzen, welche den Prozessparametern Druck und Temperatur während des Aushärtevorgangs standhalten. Dementsprechend wird hierbei oft auf Formen aus Aluminium oder CFK zurückgegriffen. Üblicherweise werden die Formgeometrie durch CNC-Fräsen hergestellt.

Abbildung 4: Fräsen eines Formwerkzeugs

Generell unterscheidet man bei Formwerkzeugen zwischen Negativ- und Positiv-Formen. Auf der dem Werkzeug zugewandten Bauteilseite kann eine hohe Oberflächenqualität und Maßhaltigkeit erreicht werden. Die gegenüberliegende Bauteilseite wird durch den Foliensack angepresst und geformt, wodurch keine klar definierte Oberflächenbeschaffenheit erzeugt werden kann. Sollte dies aber zwingend notwendig sein, kommen spezielle geschlossene Presswerkzeuge zum Einsatz.

Abbildung 5: Unterschied Positiv-Form und Negativ-Form

Inbetriebnahme und Vorbehandlung der Formen

Bevor die Formwerkzeuge letztendlich in Betrieb genommen werden, müssen diese passend vorbehandelt werden. Eine neue Form muss mehrfach mit einem sogenannten Sealer behandelt werden, um Mikroporen im Werkzeug zu verschließen und Unebenheiten auszugleichen. So wird verhindert, dass sich Harz aus dem Bauteil in den Poren des Formwerkzeugs festsetzt. Zugleich verbessert dies die Oberflächenqualität des Bauteils. Es werden mehrere Schichten Sealer im Abstand von ca. 10 Minuten aufgetragen. Der Auftrag des Mittels geschieht mit einem getränkten Tuch oder Pinsel. Bei gebrauchten Werkzeugen ist dieser Vorgang nicht vor jedem Einsatz zu wiederholen, jedoch ist es ratsam diesen nach einer bestimmten Anzahl an Einsätzen erneut durchzuführen.

Sind die Formwerkzeuge ausreichend mit Sealer behandelt, erfolgt das Auftragen von Trennmittel. Dieses garantiert, dass die fertigen Bauteile nach dem Aushärteprozess mit so wenig Widerstand wie möglich aus dem Formwerkzeug gelöst werden können. Dadurch wird eine Beschädigung der Werkzeug- und Bauteiloberfläche durch zu große Haftung vermieden. Die Behandlung mit Trennmittel muss vor jedem Gebrauch des Werkzeuges gründlich durchgeführt werden.

Ablegen der Prepreg-Lagen in das Formwerkzeug

Die Fertigung von Carbonbauteilen beginnt mit der Vorbereitung der benötigten Prepreg-Zuschnitte. Je nach Einsatzgebiet müssen die passenden Faserhalbzeuge gewählt werden, um die Einhaltung der geforderten Bauteileigenschaften gewährleisten zu können. In weiterer Folge werden die auf Rollen angelieferten Prepregs mit Hand oder mit Hilfe von speziellen Schneidanlagen zugeschnitten.

Video: Mit unserer digitalen und vollautomatisierten Schneidanlage lassen sich nicht nur Faserhalbzeuge schneiden

Ist das Material vorbereitet, werden die einzelnen Zuschnitte Schicht für Schicht in das Formwerkzeug eingelegt. Dabei ist auf die strikte Einhaltung des definierten Lagenaufbaus zu achten. Dieser gibt vor, wie die einzelnen Matten im Werkzeug positioniert und ausgerichtet werden und wo Verstärkungen oder sonstige Bauteilkomponenten (wie z.B. Inserts) eingebracht werden müssen.

Um eine qualitativ hochwertige Bauteiloberfläche zu gewährleisten, muss das Werkzeug nach dem Einlegen der ersten Lage für ca. 15-30 Minuten vakuumiert werden. Je nach Lagenanzahl sollte dies mehrfach im Ablegeprozess wiederholt werden. Somit wird garantiert, dass die einzelnen Lagen bereits vor dem Aushärteprozess perfekt in der Formwerkzeugkontur sitzen.

Abbildung 6: Ablegen der Prepreg-Lagen in das Formwerkzeug

Vorbereiten und vakuumieren des Aufbaus für den Autoklavenzyklus

Nach Abschluss des Laminierprozesses wird das Bauteil inkl. Formwerkzeug mit dem Lagenaufbau evakuiert. Dafür wird ein belastbarer Foliensack vorbereitet, welcher über das Werkzeug gezogen wird. Das Bauteil muss an den offenliegenden Prepreg-Flächen vorab mit Trennfolie abgedeckt werden, sodass das Saugvlies, welches für die Luftabfuhr benötigt wird, nicht am Bauteil festklebt. Anschließend wird der Sack verschlossen und die darin enthaltene Luft über ein Ventil abgesaugt.

Abbildung 7: Vakuumieren  

Abbildung 8: Verpacken des Bauteils/Werkzeug mit einem Vakuumsack

                                                                                                               

Autoklavenzyklus

Ist der Foliensack dicht verschlossen und evakuiert, wird dieser im Autoklav an eine Vakuumpumpe angeschlossen. So wird das Vakuum während des Aushärteprozesses aufrechterhalten. Zudem wird der Sack im Autoklaven von außen mit zusätzlichem Druck (ca. 2-6 bar) und Temperatur (ca. 130°C) beaufschlagt. Dadurch werden die eingelegten Prepreg-Matten stark in das Formwerkzeug gepresst.

Unter Temperatur  wird das vorher zähflüssige Harz fließfähig und härtet anschließend aus. Dies bewirkt die Verbindung der einzelnen Lagen zum späteren Bauteil. Je nach Anforderungen an das Bauteil und Eigenschaften des eingesetzten Prepreg-Materials müssen die Prozessparameter gezielt gewählt werden.

Abbildung 9: Anschließen der vakuumierten Bauteile/Werkzeuge im Autoklave

Abkühlen und Entformen

Nach Abschluss des Aushärteprozesses können die Werkzeuge aus dem Druckbehälter entnommen werden. Danach werden die Foliensäcke und das Saugvlies entfernt.  Um weder Bauteil noch Werkzeug zu beschädigen, muss das Entformen schonend geschehen. Idealerweise erfolgt dies mit Hilfe von Druckluft und weichen Kunststoffkeilen.

Endbearbeitung

Nachdem die Bauteile aus den Formwerkzeugen gelöst wurden, werden diese an die Mitarbeiter in der Endfertigung übergeben. Im ersten Schritt werden diese auf Maß genau zugeschnitten. Dies geschieht mit Hilfe von unterschiedlichen Schneid- und Schleifwerkzeugen, wie Winkelschleifern, Schleif-Rutschern oder Schleiffeilen. Bei größeren Stückzahlen erfolgen solche Arbeitsschritte mit Hilfe einer CNC-Fräse. Nach dem Schneiden folgen Fügeschritte und die Endmontage, welche beispielsweise folgende Tätigkeiten umfassen:

  • Das Bohren von Löchern
  • Das Schneiden von Gewinden
  • Das Einsetzen von Inserts
  • Das Lackieren der Bauteile
  • Das Montieren benötigter Anbauteile
  • Das Verkleben einzelner CFK-Komponenten zu fertigen Baugruppen

Sind die benötigten Montageschritte durchgeführt, folgt die Bauteilendkontrolle. Dabei wird überprüft, ob alle Maße, Inserts, Anbauteile usw. den gewünschten Anforderungen entsprechen. Werden hier leichte Abweichungen festgestellt, können Bauteile je nach Bedarf nachgearbeitet werden.

Abbildung 10: Maßgenaues Zuschneiden der Bauteile mit Hilfe verschiedenster Schneidwerkzeuge

Was sind die Vor- und Nachteile des Prepreg-Autoklav-Verfahrens?

Der Einsatz des Autoklaven-Prepreg-Verfahrens bringt eine Anzahl von Vorteilen mit sich, welche nachfolgend übersichtlich dargestellt werden.

Exakte Reproduzierbarkeit von Bauteilen

Aufgrund des konstanten Harzgehalts im Halbzeug wird eine exakte Reproduzierbarkeit der Eigenschaften einzelner Bauteile innerhalb einer Serie gewährleistet. Dies ermöglicht eine genaue Fertigung von Produkten ohne große Abweichungen zwischen den Bauteilen aus unterschiedlichen Chargen.

Optimale Kraftübertragung

Durch die definierte und optimierte Ausrichtung der Verstärkungsfasern im Faser- und Lagenverbund kann eine optimale Kraftübertragung sichergestellt werden. Dies spiegelt sich in  Faserverbundbauteilen mit höchsten mechanischen Eigenschaften wieder.

Geringes Gewicht bei hoher Belastbarkeit

Trotz der hervorragenden mechanischen Eigenschaften von Carbon bleibt das Bauteilgewicht aufgrund der niedrigen Dichte des Materialverbunds sehr gering. Daher werden der Werkstoff und das Verfahren in Hochleistungsbranchen eingesetzt.

Optimale Bauteilqualität

Weiters steigert der Einsatz der Autoklaven-Prepreg-Technik die Bauteilqualität. Beispielsweise lässt sich dies durch den geringen Luftporengehalt im ausgehärteten Material erkennen. Dieser ist zurückzuführen auf die optimierte Imprägnierung der Prepregs, sowie auf die klar definierten Prozessparameter für den Autoklavenzyklus.

Die Beaufschlagung des Laminats mit einem definierten Druck ermöglicht eine gute Kompaktierung und die Möglichkeit den Faservolumenanteil des ausgehärteten Bauteils exakt einzustellen.

Neben den zahlreichen Vorteilen, welche das Autoklaven-Prepreg-Verfahren mit sich bringt, gibt es auch aus Aspekte, welche kritisch betrachtet werden müssen. Jene Aspekte werden folgend kompakt beschrieben.

Abbildung 11: Bauteil mit verschiedensten Inserts, Hülsen usw.

Hohe Investitionssummen

Um ein Carbon-Bauteil mit der Prepreg-Autoklav-Technik fertigen zu können, wird ein Autoklav benötigt. Je nach Einsatzgebiet und Branche können solche Druckbehälter der Größe eines Einfamilienhauses entsprechen. Für den Betrieb einer solchen Anlage ist zudem eine komplexe Ausstattung notwendig, die die Strom- und Druckluftversorgung, Sicherheitseinrichtungen und Datenaufzeichnung umfasst. Demnach ist auch mit einer hohen Investitionssumme zu rechnen.

Zeitintensive Bauteilproduktion

Weiters ist die Prepreg-Autoklav-Technik im Vergleich zu anderen Verfahren arbeits- und zeitintensiver. Dies ist bedingt durch den Aushärteprozess im Autoklaven. Jener kann mehrere Stunden in Anspruch nehmen. Aus diesem Grund sind auch längere Taktzeiten in der Produktion zu berücksichtigen. Automatisierte Ablegeprozesse können helfen die Durchlaufzeiten zu verringern.

Wo wird das Prepreg-Autoklav-Verfahren eingesetzt?

Das Prepreg-Autoklav-Verfahren wird aufgrund der Möglichkeit zur Herstellung hochkomplexer Bauteile mit hervorragenden Eigenschaften in verschiedensten Hochleistungsbranchen eingesetzt. Untenstehend erfolgt eine Listung von Branchen in welchen diese Technik angewandt wird und welche Bauteile beispielsweise daraus entstehen.

  • Raumfahrt: Primärstrukturen, Solarpaneele, Instrumententräger
  • Luftfahrt: Rumpf- und Flügelstrukturen, Innenausbauten, Triebwerksverkleidungen, Rotorblätter
  • Rennsport: Chassis, Radaufhängung, aerodynamische Strukturen, Luftführungen, Monocoque, Crash-Strukturen
  • Bootsbau: Masten, Dächer, Rumpfstrukturen von Hochleistungsschiffen
  • Maschinenbau: Roboterarme, schnell laufende Maschinenteile, thermostabile Maschinentische
  • Medizintechnik: Röntgentransparente Liegen, Prothesen
  • Messtechnik: Thermostabile Geräteträger, Systemgehäuse
  • Wehrtechnik: Gehäuse für diverse Ausrustung, Luftführungen für Einsatzfahrzeuge,  lasttragende Strukturen, Drehvorrichtungen, Plattformen, Turmsysteme, Interior und Exterior für Einsatzfahrzeuge, Komponenten für UAV's und UGV`s

Fazit

Von der Raumfahrt über den Bootsbau bis hin zur Messtechnik - das Prepreg-Autoklav-Verfahren wird aufgrund seiner zahlreichen Vorzüge in beinahe allen Branchen eingesetzt. Mit ihm lassen sich Bauteile erzeugen, welche zugleich Anforderungen an herausstechende Optik, ausgezeichnete mechanische und thermische Eigenschaften und komplexe Bauteilgeometrien besitzen.