1. Was sind Bioverbundwerkstoffe?
2. Rohstoffe von naturfaserverstärkten Kunststoffen
3. Verarbeitung von Bioverbundwerkstoffen
5. Einsatzbereiche von Bioverbundwerkstoffen
6. Fazit
Tausende Jahre lang waren natürliche Werkstoffe die einzigen Materialien, welche der Mensch zur Verfügung hatte. Holz diente in etwa zum Bau von Häusern oder Schiffen und Fasern aus Hanf oder Flachs wurden beispielsweise zu Seilen, Säcken oder Segeln verarbeitet. Mit der industriellen Revolution und dem einhergehenden technologischen Fortschritt kamen dann noch viele weitere Einsatzbereiche hinzu. Ideale Werkstoffe vereinen geringes Gewicht mit hoher Festigkeit und Steifigkeit. Weil ein einziges Material nur selten all jene Eigenschaften mit sich bringt, werden mehrere Materialien zu Verbundwerkstoffen verarbeitet. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts entwickelten Chemiker bestimmte Bindemittel, welche dazu beitrugen, dass Naturfasern zu robusten Bauteilen weiterverarbeitet werden konnten. Großen Anklang fanden jene natürlichen Faserverbundwerkstoffe vor allem in der Automobilindustrie, sodass Henry Ford im Jahre 1941 das sogenannte „Hemp Car“ vorstellte, dessen Karosserie, verschiedensten Berichten zufolge, weitestgehend aus gebundenen Hanffasern gefertigt worden war. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden dann phenolharzgebundene Baumwollfasern für die Automobilindustrie zugänglich. So bestand in etwa die Karosserie des Trabants aus einem baumwollfaserverstärkten Kunststoff. Der Etablierung jener Werkstoffe war zum großen Teil auf die vorhandene Materialknappheit in der Nachkriegszeit zurückzuführen. Neue Materiallösungen mussten demnach geschaffen werden. Heute erleben jene Werkstoffe, welche damals aus der Not heraus geschaffen worden waren, jedoch wieder starken Aufwind und substituieren aufgrund ihrer vorzüglichen Eigenschaften vermehrt jene Werkstoffe, die damals aufgrund der dramatischen Zustände nicht zugänglich waren. Genannt werden diese Bioverbundwerkstoffe. Welche Werkstofflösungen sich daraus entwickelten, wie Bauteile aus jenen Werkstoffen heutzutage hergestellt und wo sie vorrangig eingesetzt werden erfahren Sie in diesem Artikel.
Bioverbundwerkstoffe liegen dann vor, wenn eine der Hauptkomponenten des Materialverbundes biobasiert ist. Im Folgenden werden die beiden wichtigsten Gruppen von Bioverbundwerkstoffen, die naturfaserverstärkten Kunststoffe und die Wood-Plastic-Composites, näher beschrieben.
Naturfaserverstärkte Kunststoffe (NFK) sind Werkstoffverbunde aus Kunststoffen, wie Polyesterharzen, Epoxidharzen oder Polyamiden und Naturfasern aus Hanf, Flachs, Kenaf oder ähnlichen natürlichen Ressourcen. NFKs zeichnen sich durch eine hohe Steifigkeit, eine hohe Zugfestigkeit, eine geringe Splitterneigung, wie auch durch eine geringe Dichte aus. Neben den hervorragenden mechanischen Eigenschaften begründet sich der steigende Bedarf nach Anwendungen aus NFKs, durch ihre ökologischen Vorzüge. Die eingesetzten Verstärkungsfasern sind dementsprechend biologisch abbaubar und wachsen auf natürliche Art und Weise nach. Somit zeichnen sich NFKs auch durch eine adäquate Werkstoff-Energiebilanz aus.
Neben naturfaserverstärkten Kunststoffen gibt aus auch noch sogenannte Wood-Plastic-Composites, kurz WPCs. WPCs sind Werkstoffe, welche aus Holz, Kunststoff und Additiven compoundiert werden. Der darin enthaltene Anteil an Holz fungiert dabei als Füllmaterial und kann bis zu 90% des Verbundwerkstoffes ausmachen. Verwendet werden dabei vor allem kostengünstige Holzreststoffe, wie Holzmehl. Nur selten werden dabei hochwertige Holzfasern eingesetzt. Die Kunststoffmatrix besteht in der Regel aus günstigen thermoplastischen Kunststoffen, wie Polypropylen (PP) oder Polyethylen (PE). Vorteile des Werkstoffs gegenüber traditionellen Holzwerkstoffen, wie Spanplatten oder Sperrholz sind die freie, 3-dimensionale Formbarkeit des Werkstoffs, sowie die größere Resistenz gegen Feuchte. Gegenüber Vollkunststoffen bieten WPCs eine höhere Steifigkeit und einen deutlich geringeren thermischen Ausdehnungskoeffizienten. Im Vergleich zu Schnittholz ist die Bruchfestigkeit, solcher Verbundwerkstoffe jedoch vermindert. Um dem entgegen zu wirken können Formstücke jedoch mit verstärkenden Einlagen versehen werden. Die Feuchtigkeitsaufnahme von Formstücken aus WPCs ist verglichen mit jener von massiven Kunststoffteilen höher. Dementsprechend müssen abweisende Beschichtungen aufgetragen werden. Wie zuvor beschrieben bestehen naturfaserverstärkte Kunststoffe aus natürlichen Verstärkungsfasern und einer Bettungsmatrix aus Kunststoff. Welche Naturfasern und Kunststoffe dabei vorrangig zum Einsatz kommen wird folgend beschrieben.
Für die Kunststoffmatrix werden sowohl duroplastische, als auch aus thermoplastische Kunststoffe eingesetzt. Thermoplastische Kunststoffe lassen sich unter Wärmeeinfluss verformen und bestehen in der Regel aus linearen oder wenig verzweigten Kettenmolekülen. Thermoplaste lassen sich mehrfach einschmelzen und neu formen, was im Recycling ein großer Vorteil ist. Verarbeitet können jene durch Spritzgießen, Extrudieren und Formpressen werden. Polypropylen (PP), Polyethylen (PE), Polyvinylchlorid (PVC) oder Polystyrol (PS) sind Thermoplaste, welche zum Verbund mit Naturfasern eingesetzt werden.
Duroplaste hingegen lassen sich nach einmaligem Aushärten nicht mehr weiter verformen. Im Aushärteprozess werden die Kettenmoleküle dreidimensional vernetzt. Das hat zur Folge, dass jene Kunststoffe thermischer Belastung standhalten und äußerst stabil werden. In Verbundwerkstoffen kommen dabei vor allem Epoxid-, Phenol- und Acrylatharze zum Einsatz. Epoxidharze können dabei zu einem gewissen Anteil oder sogar auch vollständig auf Biobasis produziert werden. Vermehrt werden auch immer mehr innovative Biokunststoffe untersucht. Jene bestehen teilweise oder auch zur Gänze aus Biomasse. Zucker, Stärke, Lignin oder Zellulose kommen dabei zur Anwendung. Der Anteil an solchen Kunststoffen ist am Weltmarkt jedoch noch sehr gering. Um diesen zu erhöhen müssen erst vergleichbare Eigenschaften, wie bei klassischen Kunststoffen ausgewiesen werden können. Bewährte Naturfasern können sowohl aus heimischen, als auch aus subtropischen und tropischen Pflanzen gewonnen werden. Unter den heimischen Pflanzen sind vor allem Flachs und Hanf von großer Bedeutung. Jene Pflanzen werden in Europa bereits seit Jahrhunderten angebaut. Ihre Notwendigkeit in der Textilindustrie ist kleiner geworden, jedoch finden sie dahingegen in naturfaserverstärkten Kunststoffen wieder große Anwendung, sodass der Anbau in Europa über die letzten Jahre stark gewachsen ist. Subtropische oder tropische Fasern werden aus Pflanzen, wie Jute, Kenaf, Baumwolle oder Ramie gewonnen.
Beim Formpressen werden NFKs durch Druck- und Temperatureinfluss in die gewünschte Bauteilgeometrie gebracht. Es können sowohl thermoplastische, als auch duroplastische Kunststoffe mittels Formpressen verarbeitet werden. Der wesentliche Vorteil dieses Verfahrens ist seine geringe Komplexität. Ein Vlies aus Naturfasern (textiles Halbzeug) wird mit dem gewünschten Kunststoff beschichtet und auf eine Negativform auftragen. Durch eine beheizte Presse wird der NFK weiters in die Negativform gepresst und erhält somit seine geforderte Form. Durch das anschließende Abkühlen und der damit einhergehenden Vernetzung der Polymere wird das Bauteil letztendlich formstabil. Zusätzlich lassen sich in den Pressprozess noch weitere Arbeitsschritte, wie zum Beispiel eine Bauteilbeschichtung, integrieren und sich dadurch effizientere und günstige Prozesse gestalten. Der große Nachteil des Verfahrens liegt darin, dass nur relativ einfache Formen hergestellt werden können. Zur Realisierung von komplexen, dreidimensionalen Bauteilen ist das Formpressen nicht geeignet.
In einem Extruder werden Naturfasern gemeinsam mit Kunststoffen und weiteren Additiven zusammengeführt und zu einem homogenen Gemisch verdichtet. Der Extruder besteht dabei aus mindestens einer Schnecke, welche für die Aufbereitung, Vermischung und Erhitzung des Gemisches zuständig ist. Jenes Gemisch wird in weiterer Folge durch eine Werkzeugform gepresst und erhält, beim Abkühlen in dieser, dessen Form. Hauptanwendung findet dieses Verfahren in der Herstellung von WPC-Produkten.
Beim Spritzgießen werden thermoplastische Kunststoffe mit Naturfasern und weiteren Additiven erwärmt und zu einer homogenen Masse compoundiert. In Form von körnigem Granulat wird das Material in weiterer Folge mit Spritzgussmaschinen verarbeitet. Auch hier wird das Material mit Hilfe eines Extruders erhitzt und verflüssigt, um dann in eine zweiteilige Form transportiert bzw. gespritzt werden zu können. Das Material erstarrt wiederum durch das Abkühlen und kann danach zum endgültigen Produkt weiterverarbeitet werden.
Das Spritzgießen ist in der Kunststofftechnik schon lange eines der bedeutendsten Verfahren und erlaubt die Herstellung von großen Stückzahlen bei einer hohen Reproduzierbarkeit. In der Verarbeitung von Bioverbundwerkstoffen wird das Verfahren hauptsächlich zur Verarbeitung WPCs eingesetzt.
Beim RTM-Verfahren werden trockene Faserhalbzeuge in ein meist zweiteiliges Formwerkzeug eingelegt. Danach wird das Formwerkzeug geschlossen und über einen Anguss wird konstant Reaktionsharz injiziert. Die Faserlagen werden somit mit dem Harz durchtränkt. Das überflüssige Harz tritt an den Steigern/Entlüftungen wieder aus. Um einen Nachdruck zu erzeugen und Lufteinschlüsse zu verhindern kann zusätzliches Harz nachgepresst werden. Bei vollständiger Aushärtung des Bauteils wird dieses aus dem Werkzeug entnommen. Das RTM-Verfahren wird im Wesentlichen zur Fertigung von hochwertigen Kleinserien eingesetzt. Durch eine entsprechende Automatisierung können aber auch größere Serien hergestellt werden.
Als Firma carbon-solutions Hintsteiner GmbH sind wir spezialisiert auf die Verarbeitung von Faserverbundkomponenten mit Hilfe des Prepreg-Autoklav-Verfahrens. Demnach verarbeiten wir auch naturfaserverstärkte Kunststoffe im Autoklaven. Dabei werden mit Harz vorimprägnierte Naturfaserhalbzeuge, sogenannte Prepregs, Lage für Lage in ein Formwerkzeug eingelegt. Sind die einzelnen Fasermatten adäquat platziert, wird das Formwerkzeug samt Faserlagen mit Trennfolie und Saugvlies versehen. Anschließend wird die komplette Form in einen Vakuumsack verpackt und vakuumiert. Das Saugvlies garantiert dabei den Abtransport der enthaltenen Luft und die Trennfolie wiederum gewährleistet, dass das Saugvlies nicht in Kontakt mit den Faserlagen kommt. Das Vakuum erzeugt dabei über die komplette Bauteilfläche einen konstanten Unterduck. Die verpackte Form bleibt während des gesamten Autoklavenzyklus an eine Vakuumleitung angeschlossen.
Im Autoklaven erfolgt eine zusätzliche Druckbeaufschlagung mit ungefähr 4 bis 6 bar. Der Überdruck wird genutzt um die einzelnen Laminatschichten noch stärker miteinander zu verpressen. Zeitgleich wird das Bauteil bei einer Temperatur von 120-130°C ausgehärtet. Nach Abschluss des Autoklavenzyklus wird die Temperatur minimiert und der atmosphärische Druck wieder hergestellt. Die verwendeten Folien werden entfernt und das ausgehärtete Bauteil kann entformt und weiterverarbeitet werden.
Das Hauptanwendungsgebiet für naturfaserverstärkte Kunststoffe ist noch immer die Automobilindustrie. Eingesetzt werden diese dabei vorrangig für die Herstellung von Türinnen- und Säulenverkleidungen, Dachhimmeln, Armaturenbrettern oder Hutablagen.
Der Großteil der produzierten WPCs wird für Produkte wie Terrassendielen, Zäune oder Gartenmöbel eingesetzt. Der zweitgrößte Anteil geht wiederum an die Automobilindustrie. Auch WPCs werden hierbei hauptsächlich für die Produktion von Innenverkleidungskomponenten verwendet. Ansonsten werden NFKs und WPCs in den unterschiedlichsten Bereichen und für verschiedenste Anwendungen eingesetzt. Darunter in etwa auch die Möbelindustrie. In der Möbelindustrie eigenen sich Bioverbundwerkstoffe für alle Arten von Formteilen und sind somit oft Ersatz für Objekte aus Holz. Sie werden somit für die Herstellung von Stuhlschalen, Hocker und anderen Möbeln verwendet. Weitere Anwendungsgebiete außerhalb der Automobil- und Möbelindustrie sind Schleifscheibenträger, Verpackungen, Koffer und Spielzeug.
Die Etablierung von Bioverbundwerkstoffen ist zum großen Teil auf die damalige Materialknappheit in der Nachkriegszeit zurückzuführen. Demnach mussten neue Materiallösungen geschaffen werden. Heute erleben jene Werkstoffe, welche damals aus der Not heraus entwickelt worden waren, jedoch wieder starken Aufwind und substituieren aufgrund ihrer vorzüglichen Eigenschaften vermehrt jene Werkstoffe, die damals aufgrund der dramatischen Zustände nicht zugänglich waren. Neben ökologischen Vorzügen besitzen Bioverbundwerkstoffe ebenso eine Reihe von technischen Eigenschaften, welche deren Einsatz in innovativen Anwendungen vorantreiben. Hauptsächlich werden NFKs und WPCs noch in der Automobilindustrie eingesetzt, jedoch ergeben sich zunehmend neue Anwendungsgebiete für jene innovativen und klimafreundlichen Werkstoffe.