Recycelte Kunststoffe für mehr Nachhaltigkeit im Automotive-Sektor

Recycelte Kunststoffe für mehr Nachhaltigkeit im Automotive-Sektor
Autor:
Martin Hintsteiner
Veröffentlicht:
February 29, 2024

Kunststoff ist nach Metall das am zweithäufigsten verwendete Material für Formteile in der Automobilindustrie. Verwendet wird dieser z.B. für Armaturen, Stoßstangen, Griffe, Bedienelemente, Dachhimmel oder Lenkstockverkleidungen.

Ein Grund für die Verwendung von Kunststoffen in Fahrzeugen ist die Reduzierung der Fahrzeugmasse, was zu einem geringeren Kraftstoffverbrauch und einer Verringerung der Emissionen führt. Darüber hinaus überzeugen Komponenten aus Kunststoff mit Eigenschaften, die bei der Ausführung aus Metall nicht erreicht werden können. Beispiele dafür sind in etwa eine gute Wärmedämmung, Geräuschreduzierung & Korrosionsbeständigkeit.

Abbildung 1:

Wenn von einem durchschnittlichen Fahrzeuggewicht von 1300 kg ausgegangen wird und der Kunststoffanteil 12 – 15% ausmacht, ergibt dies 150 – 200 kg Kunststoff pro Fahrzeug. Die Tendenz steigt, da die Nachfrage nach leistungsstarken und gleichzeitig leichten, kraftstoffsparenden und sicheren Fahrzeugen zunimmt. Wie aber kann diese steigende Nachfrage weiterhin nachhaltig gedeckt werden?

Inhaltsverzeichnis:

1. Wie kann die steigende Nachfrage nachhaltig gedeckt werden?

2. Liegen die dafür benötigten Voraussetzungen vor?

3. Was sind „Best Practices“ aus derAutomobilindustrie?

4. Fazit

Wie kann die steigende Nachfrage nachhaltig gedeckt werden?

Um diesen zunehmenden Bedarf auch künftig zu decken, wird vermehrt auf den Einsatz von recycelten Kunststoffen gesetzt. Aktuell werden die gängigsten Polymertypen in Autos recycelt und das Ergebnis sind Polymere, die ähnliche Leistungsstandards erfüllen wie neue Materialien. Das Potential zur Steigerung von Kunststoffzirkularität wird aber bei weitem noch nicht ausgeschöpft.

Hier wird es zukünftig vermehrt verbindliche Zielvorgaben brauchen, um die mit dem Recycling verbundenen Vorteile hinsichtlich der wirtschaftlichen und sozialen Komponente, auszuschöpfen. Das Ergebnis wären bessere Kennzahlen in Bezug auf die Treibhausgasemissionen und Energieeinsparungen.

Abbildung 2: Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen (Quelle: Plastics Europe)

 

Stand heute werden circa 39 Arten von Kunststoffen in der Automobilbranche verwendet. Zwei Drittel der Bauteile werden durch PP (Polypropylen), PU (Polyurethan) und PVC (Polyvinylchlorid) abgedeckt. Die restlichen Teile bestehen zum Großteil aus ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol), PA (Polyamide), PS (Polystyrol), PE (Polyethylen), POM (Polyoxymethylen), PC (Polycarbonat) und PMMA (Acryl).

Abbildung 3: Armauflage mit genarbter Oberfläche aus PUR-Integralweichschaum (IWS)

Liegen die dafür benötigten Voraussetzungen vor?

In Europa werden jährlich werden zwischen 6 und 7 Million Altfahrzeuge konform der Richtlinien entsorgt– ca. 4 Millionen landen an unbekannten Orten. 6,6 Millionen Altfahrzeuge ergeben über 8 Millionen Tonnen Abfall, von denen mehr als eine Million auf Kunststoffe entfallen. Diese Zahlen sollten zu einem Umdenken führen und die Kunststoffe sollten ihren Weg zurück in Neuwagen finden. Hochmoderne Verfahren ermöglichen die Rückgewinnung von Kunststofffraktionen, die dann mit verschiedenen Trenntechnologien (Schwimm-Sink-Tanks) oder Laser- und Infrarotsystemen nach Polymer sortiert werden. Anschließend wird geschreddert und extrudiert, um dann Pellets aus den verschiedenen Polymertypen zu fertigen. Diese wiederum entsprechen den Werkstoffspezifikationen für die Wiederverwendung in Neuwagen.

Abbildung 4: Kunststoffgranulat in den verschiedensten Farben

 

Die große Herausforderung beim Recycling stellen die Vielfalt an Materialtypen, die verschiedenen Additive und die verstärkten Kunststoffe (Glasfaser, Kohlefaser, Glasperlen) dar – deshalb werden aktuell fast nur Polymere recycelt, die in höheren Mengen vorhanden sind (PP, ABS, PS).

Was sind „Best Practices“ aus der Automobilindustrie?

Trotz dieser Erschwernisse gibt es Hersteller, die bereits recycelte Kunststoffe für ihre Neuwagen verwenden. Ein großer französischer Automobilhersteller verwendet 20% recycelten Kunststoff in den in Europa hergestellten Fahrzeugen. Weiters hat das Unternehmen ein Recyclingprogramm für Polypropylen eingeführt. Daraus gewinnt das Unternehmen sieben unterschiedliche Qualitätstypen, von denen vier in den Vorserien und 3 in der Serienfertigung verwendet werden, z.B. für Radhausschalen. Ein anderer Hersteller verwendet recycelten Polyurethan-Schaumstoff in den Sitzpolstern. Ein skandinavischer Premium-Automobilhersteller wiederum will bis 2025 25% recycelten Kunststoff in den Autos verwenden.

Abbildung 5: Recycelter Polyurethan-Schaumstoff wird z.B. für Sitzpolsterungen verwendet.

Fazit

Die Recyclingunternehmen haben in den letzten 10 Jahren bewiesen, dass die Technologie zum Recycling der am häufigsten verwendeten Kunststofftypen (PP, PE, PP, PS, ABS) ausgereift ist, um die von der Automobilindustrie geforderten Qualität zu einem wettbewerbsfähigen Preis zu liefern. Das ungenutzte Potential ist aber dennoch erheblich, da immer mehr Komponenten in Fahrzeugen aus Kunststoff hergestellt werden und die Menge an Fahrzeugen ebenfalls wächst. Um das Potential letztendlich auch voll auszuschöpfen braucht es einerseits einen Ausbau der Recyclingkapazitäten und andererseits verbindliche Zielvorgaben.

Dies kann durch gezielte Maßnahmen in Form von Best Practices begleitet werden, zum Beispiel durch die Reduktion von Zusatzstoffen, durch die Verwendung von Farben, die beim Recycling gut getrennt werden können oder durch den Verzicht auf die Verwendung von gemischten Polymeren.