Die Ansprüche an das Interieur in der Bahnbranche sind hoch. Für den Fahrgast steht der Komfort im Vordergrund. Ein hochwertiges Interieur vermittelt Fahrgästen ein Gefühl von Wohlbefinden und Sicherheit. Priorität für den Anbieter hingegen haben der Schutz der Passagiere, eine trotz intensiver Nutzung, die Beständigkeit gegen Vandalismus wie auch die Erfüllung der geforderten Normen. Ein Kunststoff, welcher all diese Anforderungen erfüllen kann, ist Polyurethan.
Welche Kunststoffe für das Interieur von Schienenfahrzeugen eingesetzt werden und welche Normen diese zum Schutz der Passagiere und des Personals erfüllen müssen, beschreiben wir in diesem Beitrag!
1. PUR für das Interieur: Komfortabel, ästhetisch & resistent
2. Mit RIM zur PUR-Designkomponente
3. Die Sicherheit steht im Vordergrund
4. Fazit
Für das Interieur von Schienenfahrzeugen kommen häufig Polyurethane zum Einsatz. Vor allem Weich- und Hartintegralschäume sind dabei sehr gefragt. Integralschaumstoffe zeichnen sich durch eine hohe Abriebfestigkeit, eine haptisch ansprechende und dekorative Oberfläche, wie auch durch eine sehr gute chemische und mechanische Beständigkeit aus. Zudem besitzen sie eine hohe Elastizität und geringe Wärmeleitfähigkeit.
Zudem spielen PUR-Integralschaumstoffe ebenso aufgrund ihrer Oberflächeneigenschaften eine wichtige Rolle für Interieur-Komponenten. Der geschäumte, weiche Kern (die typischen Raumgewichte liegen zwischen 150 und 800 kg/m³) von PUR-Bauteilen geht dabei nahtlos in die weitestgehend porenfree, geschlossene Hauüber. Dabei kann diese Haut bzw. Oberfläche spezifisch gemäß definierten Anforderungen gestaltet werden. Im Gegensatz zu gleichmäßig geschäumten Kunststoffen (konstante Dichte über den gesamten Querschnitt) weisen solche Schäume einen unterschiedlichen Dichteverlauf (Struktur- oder Integralschäume) auf.
Dadurch werden die Vorteile des Sandwich-Prinzips wirksam, welche eine hohe Steifigkeit und Biegefestigkeit bei geringem Gewicht ermöglichen. Eingesetzt werden Integralweichschäume zum Beispiel zur Herstellung von Sitzpolstern, Stoßpolstern, Armlehnen und Kinnschutzpolstern.
Auch schlagfeste Polyurethane können für Innenverkleidungen, Gepäckablagen, Deckenelemente, Fußstützen und Fahrgasttische verwendet werden. Anbindungselemente wie Gewinde und Einlegeteile können hierbei direkt in das Gießverfahren integriert werden. Zudem können auch hierbei unterschiedliche Oberflächenstrukturen abgebildet werden.
Video: Auch schlagfeste Polyurethan-Systeme werden im Bahnsektor eingesetzt
Durch die Fertigung von PUR-Komponenten im RIM- Verfahren und der damit einhergehenden Design- und Formfreiheit kann ein Maximum an ansprechender Optik und Haptik erzielt werden. Bedien- oder Befestigungselemente können direkt in die PUR-Teile integriert oder durch Verkleidungen abgedeckt werden.
Wie zuvor schon beschrieben können die PU-Teile auch ad hoc ohne zusätzlichen Prozessschritt mit der gewünschten Oberflächenstruktur versehen werden. Beispielsweise ist es möglich dabei eine Erodier-Struktur oder eine Ledernarbung zu erzeugen. Die Schaumteile können aber auch zusätzlich mit Antivandalismusgeflechten, Fireblockern oder Bezugsstoffen nach Kundenwunsch kaschiert werden. Die Komponenten sind dabei auch äußerst unempfindlich gegenüber aggressiven Reinigungsmitteln.
Diese Vorteile des RIM-Verfahrens ermöglichen eine wirtschaftliche Fertigung von ergonomischen, ansehnlichen und beständigen Interieur-Komponenten. Die große Materialvielfalt, sowie die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten lassen letztendlich kaum einen Kundenwunsch unberücksichtigt.
Das RIM-Verfahren funktioniert über die Vermischung der Polymerflüssigkeiten Polyol und Isocyanat. Diese flüssigen Polymere werden mit Pumpen über einen Mischkopf mit niedrigem Druck in temperaturgeregelte Formen aus Kunststoff oder Metall befördert und dosiert. In der Form erzeugen die kombinierten Chemikalien eine exotherme Reaktion, die die flüssigen Ausgangsmaterialien in ein stabiles Formteil umwandelt. Mit diesem Prozess können ganz einfach Produkte erstellt werden, die gemäß Ihrer gewünschten Toleranz, Dichte, Dicke, Härte und ihres Gewichts anpassbar sind.
Um Passagieren und dem Personal höchstmöglichen Schutz zu gewährleisten, müssen die eingesetzten Materialen spezielle brandschutztechnische Anforderungen erfüllen. Der Einsatz von flammhemmenden und flammgeschützten Materialien ermöglicht dabei eine sicherere Evakuierung von Schienenfahrzeugen.
Geregelt wird der Brandschutz in der der EU durch die Normenreihe DIN EN 45545. Im Vordergrund steht hierbei immer der Schutz von Menschenleben. Im Brandfall sind die Passagiere und das Personal nicht nur Flammen ausgesetzt, sondern auch großen Mengen an Rauch und toxischen Gasen, welche innerhalb kürzester Zeit Rauchgasvergiftungen verursachen.
Die DIN EN45545-2 beschreibt das Brandverhalten von Werkstoffen und Komponenten und ersetzt in Deutschland seit 01.01.2018 die DIN 5510. Sämtliche Bauteile die in Waggons verbaut werden, müssen die Anforderung dieser Norm erfüllen. Die einzelnen Produktgruppen müssen den Anforderungssätzen R1 bis R26 entsprechen. Zusätzlich wird zwischen den drei Gefahrenstufen HL 1, HL 2, HL 3 (engl. Hazard Level) unterschieden, wobei HL3 die höchste Gefährdungsstufe darstellt.
Bei der Brandprüfung R18 wird ein kompletter Fahrgastsitz (Sitzschale, Polsterungen, Armlehnen, Kopfstützen) oder Not-/Klappsitz überprüft. Die Brandprüfung erfolgt sowohl im Neuzustand, als auch im „vandalisierten" Zustand. Dabei dürfen die Brandproben nur einen bestimmten MARHE-Wert (mittlere Wärmefreisetzungsrate) und RHR Peak (Peak of Rate of Heat Release) ausweisen, um als normkonform zu gelten.
Bei der Brandprüfung R21 von Polsterungen (Weichschaumkern inkl. Zwischenlagen) und Armpolstern werden wiederum der Sauerstoffverbrauch, der Toxizitätswert und die maximale spezifische Rauchdichte im Brandfall gemessen.
Sowohl der Anspruch an Langlebigkeit und Komfort, als auch die Erfüllung aller Normen bezüglich des Brandschutzes an das Material stellen eine hohe Eintrittsbarriere in den Bahnsektor da. Die Verantwortung gegenüber dem Fahrgast und dem Personal und die daraus resultierenden Haftungen sind eine große Herausforderung für die Materialhersteller wie auch die verarbeitenden Betriebe bzw. Zulieferer.
Durch die hochwertigen und zugelassenen Materialien sowie das passende Herstellverfahren (RIM) und Oberflächenfinish ist es dennoch möglich, Bauteile, die alle Anforderungen an gültige Normen erfüllen, wirtschaftlich zu produzieren.