Aramid: Herkunft, Eigenschaften & Anwendung

Was ist Aramid, wofür wird es eingesetzt und worin liegen die Vor- und Nachteile dieses Hochleistungswerkstoffs?
Autor:
Markus Reitbauer
Veröffentlicht:
February 29, 2024

Aramid, vielen bekannt unter Kevlar, ist eine hitzebeständige, synthetische Faser, welche eine sehr hohe Festigkeit bei einem sehr geringen Gewicht bietet. Obwohl es aufgrund dieser Eigenschaften auch manchmal mit Kohlenstofffasern verglichen wird, gibt es aber wichtige Unterschiede zwischen den beiden Fasertypen. Die beiden Werkstoffe unterscheiden sich nicht nur in dessen Farben - die Aramidfaser ist gelb und die Kohlefaser schwarz - sondern auch in deren Eigenschaften. Dabei bieten aber beide Fasertypen Hochleistungseigenschaften, welche sie für den Einsatz in den unterschiedlichsten Branchen prädestinieren. Dieser Beitrag thematisiert die wesentlichen Eigenschaften von Aramid, dessen Unterschiede zu Kohlenstoff- und Glasfasern, wie auch die Einsatzgebiete des Materials.

Schnittfester Handschuh aus Aramidfasern
Abbildung 1: Schnittfester Handschuh aus Aramidfasern

Inhaltsverzeichnis:

1. Die Geschichte & Herkunft von Aramid
2. Die Vorteile von Aramid
3. Die Nachteile von Aramid
4. Aramid füllt die Lücke zwischen Carbon- und Glasfasern
5. Einsatzgebiete & Anwendungsbeispiele von Aramid
6. Fazit

Die Geschichte & Herkunft von Aramid

Das erste Unternehmen das Aramid in den 60er Jahren unter der eingetragenen Marke Kevlar einführte und herstellte war Dupont. Das Unternehmen machte es dann ab 1973 auch auf dem Markt erhältlich. Entdeckt wurde Aramid dabei von der Chemikerin Stephanie Kwolek, die für die Reifenherstellung ein alternatives Material zu Nylon entwickeln wollte. Im Laufe der Zeit begannen auch andere Unternehmen Aramid zu produzieren und stellten es leicht abgewandelt, aber mit ähnlichen Haupteigenschaften her.

Aramid wird den von den Herstellern mit verschiedenen Handelsnamen bezeichnet, wie zum Beispiel: Kevlar von Dupont, Twaron und Technora von Teijin in Japan oder Arawin von Toray in Korea. Jedes Material mit den Namen Kevlar, Twaron oder Arawin bezieht sich dabei aber tatsächlich auf Aramid und weist dabei außergewöhnliche Eigenschaften auf. Dank dieser Eigenschaften ist das Material für Anwendungen in der Rüstungsindustrie, Wasser- und Motorsport, wie auch bei Herstellung von Schutzkleidung unverzichtbar. Welche Eigenschaften das sind wird in weiterer Folge näher beschrieben.

Die Vorteile von Aramid

Aramid bietet einige Vor- und Nachteile hinsichtlich seiner Werkstoffeigenschaften. Die folgenden Punkte behandeln die wesentlichen Vorteile von Aramid-Verbundwerkstoffen und Aramid-Trockenfasern.

Hohe Schlag- und Reißfestigkeit

Aramid zeichnet sich durch eine außergewöhnliche Schlagfestigkeit aus und reißt auch unter Druck nicht, da es sehr zäh ist und eine erhebliche Energieabsorption ermöglicht. Ein Verbundwerkstoff aus Aramid hat dementsprechend eine 5-mal höhere Schlagfestigkeit als ein Kohlefaserverbundwerkstoff (Drop Weight Impact Test). Diese Wiederstandfähigkeit gegen Stöße oder Kugeln ist auf die langen Atomketten zurückzuführen, welche die Struktur von Aramid bilden. Aufgrund dessen wird es auch häufig zur Herstellung von kugelsicheren Westen, Kajaks, Motorsportkomponenten, sowie zur Panzerung von ballistisch geschützten Fahrzeugen verwendet.

Kugelsichere Schutzverbunde aus Aramid
Abbildung 2: Kugelsichere Schutzverbunde aus Aramid

Geringe Dichte / geringes Gewicht

Aramidfasern weisen ein sehr geringes Gewicht auf, was bei der Herstellung von Verbundwerkstoffen von Vorteil ist. Aramid-Verbundwerkstoffe sind etwa 20% leichter als Kohlefaser-Verbundwerkstoffe. Dabei besitzen Aramidfasern eine Dichte von ~ 1,45 g/cm3, während Aramid-Verbundstoffe aus Aramid und Epoxidharz eine Dichte von ~ 1,3 g/cm3  haben. Diese Berechnung basiert auf einer Harzdichte von ~ 1,1 g/cm3 (Epoxidharz gemischt mit Härter). Verglichen dazu haben Kohlenstoffverbundwerkstoffe (Kohlenstofffasern / Epoxidharz) eine Dichte von ca. 1,55 g/cm3.

Abriebfestigkeit und Schnittfestigkeit

Eine weitere sehr bekannte Eigenschaft von Aramid ist dessen Abriebfestigkeit. Deshalb werden häufig Teile und Komponenten aus Aramid-Verbundwerkstoffen gefertigt, welche hohen Abrieb ausgesetzt sind wie z. B. Unterfahrschutzplatten, die den Motor und den Unterboden beispielsweise bei Rallyfahrzeugen schützen. Ein weiteres Beispiel wäre die Verstärkung von gummierten Förderbändern.

Schwingungsdämpfung

Auch eine relevante Eigenschaft von Aramid-Verbundwerkstoffen ist die enorme Schwingungsabsorption. Folglich wird Aramid zur Herstellung von Komponenten verwendet, die starken Vibrationen ausgesetzt sind, welche es zu dämpfen gilt. Als Beispiel sind hier Flugzeugstrukturkomponenten anzuführen.

Niedrige Dielektrizitätskonstante

Aramid-Verbundwerkstoffe haben eine niedrige elektrische Permittivität von ~ 3,85 (10 GHz). Das gewährleistet eine sehr gute Signaldurchdringung durch Aramid- Schutzgehäuse oder Radome. Gerade in der Rüstungsindustrie finden Aramidgehäuse / Radome viele Anwendungen da diese zum einen ballistischen Schutz bieten und zum anderen für eine gute Signalleistung sorgen. Im Vergleich dazu liefern E-Glasfaserverbundwerkstoffe eine elektrische Permittivität von 6,1 (10 GHz), was zu einer um 60% geringeren Signalleistung führt.

Erzeugung von Hybrid-Verbundwerkstoffen

Aramid liefert die Möglichkeit als Gewebe auch mit Kohlefasern oder Glasfasern kombiniert zu werden. Durch die Kombination werden diese dann zu Hybridgeweben. Bei Kohlefaserverbundwerkstoffen kann damit die Schlagfestigkeit verbessert werden. Hybridverbundwerkstoffe aus einer Kombination von 50% Kohlenstofffasern und 50% Aramidfasern bieten eine um 100 bis 125% verbesserte Schlagzähigkeit im Vergleich zu Verbundwerkstoffen, die nur aus Kohlefasern bestehen.

Abbildung 3:  Luftführungs-Komponente aus einem hybriden Aramid-Carbon-Verbund für den Motorsportsektor

Die Nachteile von Aramid

Neben all den Stärken des Materials weist Aramid jedoch auch etwaige nachteilige Merkmale auf. Nach näherer Erläuterung der positiven Eigenschaften von Aramid werden folgend nun auch die Nachteile des Materials beschrieben.

Wasser- / Feuchtigkeitsaufnahme

Aramidfasern haben eine relativ hohe Feuchtigkeitsaufnahme (bis zu 6% ihres Gewichts), daher müssen Aramid-Verbundwerkstoffe angemessen geschützt werden. Dies wird herkömmlich durch das Aufbringen einer Deckschicht aus anderen Materialien gewährleistet.

Um die Feuchtigkeitsbeständigkeit des Aramid-Verbundwerkstoffs zu verbessern, wird daher sehr häufig eine Glas- oder Carbongewebeschicht an der Oberfläche hinzugefügt, um die Haftung der Decklacke zu verbessern und künftige Reparaturen des Decklacks zu erleichtern.

Schwierige Verarbeitung

Aramidfasern sind sehr schwer zu schneiden bzw. zu bearbeiten. Daher ist der Herstellungsprozess von Komponenten aus Aramidgeweben schwieriger und zeitintensiver.

Das Schneiden von trockenen Geweben ist mit Laser- oder Spezialscheren möglich, die für diesen Zweck entwickelt wurden. Fertige Aramid-Verbundwerkstoffe werden oft mit Wasserstrahlschneidanlagen oder speziellen Hartmetall- oder Diamantwerkzeugen bearbeitet. Aber auch dabei kann es zu Ausfransungen der Aramidfasern an den Beschnittkanten kommen. Um dem entgegenzuwirken wird das Aramid nach Möglichkeit nicht ganz bis zum Bauteilende laminiert und die Ränder mit Glas- oder Carbongeweben laminiert oder das Aramid zwischen diesen Lagen eingeschlossen.

Mäßige UV-Beständigkeit

Aramidfasern weisen eine geringe UV-Beständigkeit auf. Die UV-Strahlung (Sonnenlicht) führt dabei zum Abbau von Aramidfasern, weshalb ein geeigneter Schutz erforderlich ist. Ein solcher Schutz kann durch eine zusätzliche oberflächliche Lack- oder Materialschicht z.B. aus Carbon garantiert werden.

Aramid füllt die Lücke zwischen Carbon- und Glasfasern

Folgende Tabelle zeigt den Vergleich der Eigenschaften von Glasfasern, Kohlenstofffasern und Aramidfasern:

Unterschiede Aramid, Glasfasern und Carbonfasern (angelehnt an: R&G Faserverbundwerkstoffe)
Tabelle 1: Unterschiede Aramid, Glasfasern und Carbonfasern (angelehnt an: R&G Faserverbundwerkstoffe)

Aus der Tabelle geht hervor, dass Aramidfasern zum Großteil bessere Eigenschaften aufweisen als Glasfasern. Verglichen mit Kohlenstofffasern können Aramidfasern eine geringere Dichte aufweisen und sind somit leichter. Hinsichtlich der Zugfestigkeit und des E-Moduls hinkt die Aramidfaser der Kohlenstofffaser jedoch hinterher. Zudem sind in der Tabelle auch weitere Vorteile, wie die geringe Wärmeausdehnung und der hohe spezifische Widerstand der Aramidfaser ersichtlich. Im Wesentlichen lässt sich sagen, dass die Aramidfaser hervorragende Eigenschaften aufweist.

Wie bereits in der Beschreibung der Vorteile zuvor angemerkt, lassen sich vor allem durch die Kombination mit Kohlenstofffasern und der daraus resultierenden Erzeugung von Hybridverbundwerkstoffen Hochleistungswerkstoffe erzeugen, indem man sich die Stärken der einzelnen Komponenten zunutze macht.

Abbildung 4: Hybridverbundwerkstoff aus Aramid und Kohlenstofffasern

Einsatzgebiete & Anwendungsbeispiele von Aramid

Aramid ist aufgrund seiner Vorzüge für den Einsatz in den unterschiedlichsten Anwendungen prädestiniert. Ein großer Anwendungsbereich ist dabei die Schutz- und Sicherheitstechnik. Demnach werden beispielsweise kugelsichere Westen aus mehreren Dutzend Schichten Aramid aufgebaut und enthalten zwischen den Schichten meist noch eine Keramikplatte.

Auch die in gepanzerten Fahrzeugen verwendeten Schutzschilde bestehen aus einem Stahl-Aramid-Stahl-Verbund und bieten sogar Schutz vor Panzerabwehrraketen. Zusätzlich zum Schutz des gepanzerten Fahrzeuges selbst schützen diese Panzerungsschilde auch die Besatzung, indem sie die von der eindringenden Rakete erzeugte kinetische Energie absorbieren und zudem eine Splitterbildung vorbeugen.

Dank seiner hohen Schlagfestigkeit wird Aramid auch häufig für den Bau von Booten und Kajaks verwendet. Die meisten Hochleistungskajaks für den Wassersport bestehen aus Aramid oder Kohlefaser/Aramid-Hybriden. Diese bieten ausreichend Steifigkeit und schützen vor dem Durchdringen von Steinen und Wurzeln. Folgend werden zur Übersicht einige Beispiele für Anwendungen, in welchen Aramid in Form von Verbundwerkstoffen oder als trockener Stoff zum Einsatz kommt, gelistet.

Anwendungsbeispiele für Aramid-Verbundwerkstoffe

  • Kugelsichere Weste
  • Fahrzeugpanzerung
  • Motorsport/ Schutz von Bauteilen, die Abrieb / Stößen ausgesetzt sind - z. B. Radkästen, Unterfahrschutzplatten
  • Flugzeugkarosserie (häufig Carbon-Aramid-Hybrid)
  • Flugzeuggepäckfächer
  • Militärflugzeugradome mit spezifischen dielektrischen Eigenschaften
  • Kajaks

Anwendungsbeispiele für Aramid als trockener Stoff Schutzkleidung

  • Einschließlich schwer entflammbarer Kleidung wie Militärkleidung
  • Feuerwehrkleidung oder Kleidung für F1
  • Schnittfeste Schutzhandschuhe
  • Verstärkung gummierter Komponenten, z. B. Zahnriemen
  • Reifenverstärkung
  • Seile

Gepanzertes Einsatzfahrzeug
Abbildung 5: Gepanzertes Einsatzfahrzeug

Fazit

Die Eigenschaften von Aramid bieten enorme Leistung und hohen Schutz. Dabei zeichnet es sich durch eine hohe Schlag-, Abrieb- und Schnittfestigkeit, wie auch durch ein extrem geringes Gewicht aus. Das Gewicht von Aramidfasern liegt sogar etwa 20% unter dem von Kohlefasern. In Sachen Zugfestigkeit und Elastizitätsmodul hinkt Aramid der Carbonfaser jedoch etwas hinterher. Durch die Kombination der beiden Werkstoffe können sich aber die Stärken der einzelnen Komponenten zunutze gemacht und echte Hochleistungsverbunde erzeugt werden.

Jene Eigenschaften qualifizieren den Werkstoff somit für den Einsatz in den unterschiedlichsten Bereichen. Dabei wird Aramid beispielsweise zur Herstellung von kugelsicheren Westen, Kajaks, Motorsportkomponenten, sowie zur Panzerung von ballistisch geschützten Fahrzeugen verwendet.