3 Spritzguss-Fehler, denen Sie konstruktiv vorbeugen sollten

3 Spritzguss-Fehler, denen Sie konstruktiv vorbeugen sollten
Autor:
Bernhard Ulbl
Veröffentlicht:
3. Juli 2024
January 5, 2024

Inhaltsverzeichnis:

  1. Fehler 1: Extremer Bauteilverzug
  2. Fehler 2: Lunker
  3. Fehler 3. Einfallstellen
  4. Fazit: Fertigungsqualität liegt auch in Ihren Händen

Verfehlen im Spritzguss-Verfahren gefertigte Bauteile funktionelle und optische Anforderungen, ist das ein herber Rückschlag: Schließlich sind zur Problembehebung meist umfangreiche und kostenintensive Änderungen am Werkzeug erforderlich, dessen Herstellung mitunter schon einen Großteil des Projektbudgets in Anspruch genommen hat.

Abbildung 1: Spritzgussteil für die Automobilindustrie (Kleinserie von 500 Stück pro Jahr)

Auf die Spritzguss-Fertigung von Prototypen und Kleinserien müssen Sie dennoch nicht verzichten, denn Expertise und konstruktives Know How schützen vor bösem Erwachen in der Produktionsphase: Schließlich kann vielen funktionellen und optischen Problemen mit Wissen um spritzgussgerechte Konstruktion einfach und kostenschonend vorgebeugt werden.

In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie typischen Fehlern in der Spritzguss-Fertigung entgehen und warum es sich rechnet, bereits in der Startphase mit erfahrenen Konstrukteuren zusammenzuarbeiten.

Fehler 1: Extremer Bauteilverzug

Weichen Bauteile drastisch von der gewünschten Form ab, ist dies auf ein unterschiedliches Schwindungsbestreben verschiedener Formteilbereiche zurückzuführen. Dadurch entstehen im Bauteil Spannungen, die bei Überschreitung der strukturellen Festigkeit zur Verformung im Sinne von Verwindungen, Verwerfungen oder auch Wellen führen. Im Bauteilverzug werden diese Schwindungsdifferenzen, die auf unterschiedliche Verdichtung der Formteilbereiche und Orientierungen zurückzuführen sind, deutlich sichtbar.

Da Verzug nie zur Gänze eliminierbar ist, muss diesem Faktor im Entwicklungsprozess natürlich besonderes Augenmerk geschenkt werden: Denn neben werkzeugtechnischem Know How und optimierten Produktionsroutinen ist die richtige Bauteilkonstruktion maßgeblich, um unerwünschten Ergebnissen vorzubeugen.

Beiträge zur Reduktion des Formteil-Verzugs können Sie etwa durch Erhöhung der Zahl der Anschnitte und Verringerung von Wanddickenunterschieden bzw. Massenanhäufungen sowie durch Vermeidung scharfer Ecken, Veränderung der Faserorientierung oder das Einsetzen von Rippen leisten.

Wesentlich für den Projekterfolg ist aber auch die Wahl des passenden Materials: Ein leicht fließender Werkstoff kann den Bauteil-Verzug schließlich ebenso positiv beeinflussen wie der Verzicht auf Glasfaserverstärkungen. Amorphe Thermoplaste wie Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer (ABS), Polycarbonat (PC), Polymethylmethacrylat (PMMA) oder Polystyrol (PS) schwinden weniger als teilkristalline Entsprechungen wie Polyethylen (PE), Polypropylen (PP), Polyoxymethylen (POM) oder Polyamid (PA), deren Moleküle in der Abkühlungsphase nicht entspannen, und eignen sich dementsprechend besser für den Einsatz in der Spritzguss-Fertigung.

Abbildung 2: Das Worst-Case bei der Spritzgussteile Produktion: Bauteilverzug, Lunker und Einfallstellen.

Fehler 2: Lunker

Unter Lunker versteht man die Entstehung von mikrozelligen bis blasenförmigen Hohlräumen (Vakuolen) im Inneren eines Formteils. Ursache für dieses Problem ist eine ungenügende Verdichtung der Masse. Sind die Randschichten so fest erstarrt, dass sie den Kontraktionskräften bei der Abkühlung nicht nachgeben können, kommt es zum Aufreißen, zur Kontraktion in Richtung Randbereiche und somit zur Blasenbildung. Diese ist nicht nur unter optischen Gesichtspunkten unerwünscht, sondern kann auch die Funktionalität des Formteils beeinträchtigen und bis zum Bauteilbruch führen.

Da Lunker besonders in Bereichen von Massenanhäufungen entsteht, kann der Problematik nicht nur werkzeugtechnisch, sondern auch konstruktiv vorgebeugt werden: So sollten Sie etwa dünnen Rippenkonstruktionen gegenüber dicken Wandstärken (ab 4 mm) den Vorzug zu geben, wenn Sie höhere Stabilität erzielen möchten. Denn im Gegensatz zur Produktion in Metall sorgt ein Mehr an Masse bei Spritzguss-Fertigung nicht automatisch für ein stabileres bzw. optimales Ergebnis.

Fehler 3: Einfallstellen

Einfallstellen sind Vertiefungen an der Formteiloberfläche, die sich mitunter nur in Glanzunterschieden bemerkbar machen. Analog zu Lunker treten sie im Bereich von Masseanhäufungen auf, an denen eine lokal erhöhte Volumenschwindung entsteht. Gibt die Oberfläche nach, entstehen die unerwünschten Dellen – ein Ergebnis, dem Sie nicht nur werkzeug- und prozesstechnisch, sondern auch konstruktiv vorbeugen können.

Abbildung 4: HochwertigeBaugruppe aus Kunststoffspritzgussteilen hergestellt    

Eine Vergrößerung des Anschnitts kann dabei ebenso Abhilfe schaffen wie die dünnere Ausgestaltung von Rippenkonstruktionen. Auf ein optimales Wandstärken-Rippenverhältnis zu achten, ist ein weiterer Erfolgsfaktor, den Sie nicht aus den Augen verlieren sollten.

Stellen Sie außerdem sicher, dass der Formteil an einem dickwandigen Bereich angespritzt wird. Ist dies noch nicht der Fall, verlegen Sie am besten den Anschnitt, denn eine ungeeignete Positionierung des Angusskanals ist ein erheblicher Risikofaktor.

Fazit: Fertigungsqualität liegt auch in Ihren Händen

Die Fertigung von Prototypen und Kleinserien im Spritzguss-Verfahren erfordert Know How und konstruktive Expertise. Um die Zahl aufwändiger Änderungsschleifen am Werkzeug gering zu halten und in der Produktionsphase kein böses Erwachen zu erleben, sollten Sie also nicht nur auf einen erfahrenen Produktionspartner setzen, sondern diesen auch möglichst früh an Bord holen: Schließlich sichert die spritzgussgerechte Konstruktion von Formteilen bestmögliche Ergebnisse – und damit eine kosteneffiziente Projektabwicklung.

Abbildung 4: HochwertigeBaugruppe aus Kunststoffspritzgussteilen hergestellt    

Ein professioneller Produktionspartner unterstützt Sie natürlich durch Einsatz modernster Technik bei der Risikominimierung: Denn mittels (Mold Flow-)Simulationen sind konstruktive Probleme schon lange vor Produktionsstart abzusehen und zu beheben.

Ein DFM-Report, wie ihn HINTSTEINER bereitstellt, umfasst neben den wesentlichsten Indikationen aus der Füllsimulation auch Einschätzungen und Empfehlungen in Hinblick auf die erzielbare Produktionsgüte, den erwartbaren Bauteilverzug, die optimale Positionierung des Angusskanals sowie Vorschläge zur konstruktiven Optimierung. Damit schützt Sie die Analyse vor unliebsamen Überraschungen im Produktionsprozess.

Last but not least sollten Sie auf verfahrensunabhängige Beratung setzen: Ist Ihr Vorhaben im Spritzguss nicht optimal umsetzbar, erweist sich ein Partner, der ausschließlich dem besten Ergebnis verpflichtet ist, als beste Wahl: Er wird Sie nicht nur auf die Problematik hinweisen, sondern auch passende Alternativen anbieten, die garantieren, dass Ihre Produktion ohne Frust und Enttäuschung über die Bühne geht.