Kunststoff-Recycling: Ein starker Treiber für mehr Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeit im Kunststoffverbrauch: Herausforderungen und Lösungen
Autor:
Martin Hintsteiner
Veröffentlicht:
February 29, 2024

Der Verbrauch an Kunststoffen steigt kontinuierlich an. Zum Zwecke der Nachhaltigkeit ist es von höchster Relevanz diesen Verbrauch zu regulieren und geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Neben der Definition von Gesetzen und Richtlinien gilt es, vor allem auch die Kreislaufwirtschaft von Kunststoffen zu forcieren und optimieren.

Abbildung 1: Kreislauf einer Kunststoffverpackung (Quelle: Plastics Europe)

In diesem Beitrag beschreiben wir die aktuelle Situation des Kunststoffverbrauchs, worin die Herausforderung liegt, diesen zu reduzieren und liefern einen Überblick über die gängigsten Kunststoffe und deren Recycling.

Inhaltsverzeichnis:

1. Ausgangssituation & Herausforderung

2. Rückblick: Der Ursprung der Kunststoffe

3. Kennzeichnung und Recycling von Kunststoffen

4. Fazit

Ausgangssituation & Herausforderung

Kunststoff gehört zu den in der Industrie am meisten eingesetzten Materialgruppen. Im Sinne der Nachhaltigkeit ist es von höchster Priorität, Kunststoffe zu spezifizieren, zu trennen, zu sammeln und wiederzuverwerten. Um diesen Prozess möglichst einheitlich und einfach zu gestalten, wurden Standards eingeführt. Für die unterschiedlichen Materialien wurden Kennzeichnungen bestimmt, die es den Entwicklern & Herstellern, aber auch später den Konsumenten leichter machen, besonders umweltschonende und für den Menschen unbedenkliche Werkstoffe bzw. Produkte auszuwählen. Diese Standards sind vor allem in Hinsicht auf den jährlich steigenden Verbrauch von Kunststoff wichtig.

Abbildung 3: Weltweite und europäische Kunststoffproduktion in den Jahren von 1950 bis 2020 in Millionen Tonnen (Quelle: statista)

 

Trotz der überragenden Materialeigenschaften und den daraus resultierenden Vorteilen dürfen wir die Risiken für die Umwelt durch den Einsatz von Kunststoffen nicht ignorieren. Wie in der Grafik dargestellt, steigt der jährliche Verbrauch an Kunststoff kontinuierlich. Bezugnehmend auf die Tatsache, dass ca. 40% der aus Kunststoff gefertigten Produkte Einwegprodukte sind, müssen wir uns hier einer großen Verantwortung stellen. Da der biologische Abbau von Kunststoff mehrere hundert Jahre dauern kann, hat das EU Parlament zudem eine neue Richtlinie veranlasst, die die Produktion bzw. den Warenverkehr von zehn Einwegerzeugnissen untersagt (Tabletts, Besteck, Becher, Trinkhalme). Weiters geben der voranschreitende Klimawandel und die zunehmende Umweltgefährdung einen Anstoß für die Entwicklung von Technologien, die eine Wiederverwertung oder eine sichere Entsorgung von Kunststoffabfall ermöglichen.

Rückblick: Der Ursprung der Kunststoffe

Zelluloide gelten als erste Kunststoffe. Sie wurden Mitte des 19. Jahrhunderts erstmalig hergestellt. Obwohl die Erfindung bedeutend war, überwogen die Nachteile wie z.B. eine leichte Entflammbarkeit und die schwache Beständigkeit gegen Licht und Chemikalien. Zugleich waren diese nachteiligen Materialeigenschaften aber auch der Treiber zur weiteren Forschung und Entwicklung.

Abbildung 4: Ein Telefon mit Gehäusekomponenten aus Bakelit (Quelle: akg/Elke Landgraff)

 

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelte der belgische Wissenschaftler Leo Hendrik Baekeland das erste nicht brennbare, nicht schmelzende und unlösliche Material – das Bakelit. Dieses wurde auf Basis von Phenol-Formaldehyd-Harz hergestellt und weist eine schwache Wärme- und Stromleitfähigkeit auf. Es wurde in großen Mengen in den unterschiedlichsten Industriezweigen eingesetzt. In der elektrotechnischen Industrie wurden beispielsweise Gehäuse für Elektrogeräte hergestellt. Zur selben Zeit begann dann eine schwungvolle Entwicklung von Kunststoffen. Dabei wurden sowohl mehrere neue Materialien erfunden, als auch bereits bestehende weiterentwickelt. Demzufolge wurden Kunststoffe zu außergewöhnlich populären Materialien, die häufig andere „klassische“ Rohstoffe, wie Metalle und Holz, ersetzten.

Kennzeichnung und Recycling von Kunststoffen

In folgender Tabelle sind die standardisierten Kennzeichnungen der gängigsten Kunststoffe abgebildet und deren Anwendung wie auch Recycling kurz beschrieben:

PET/PETE  (Polyethylenterephthalat)

pet

Anwendung: Getränkeflaschen, Einwegverpackungen für Lebensmittel

Recycling: Das Abfallgut wird durch Vermahlen zu Granulat verarbeitet, daraus können erneut zuvor genannte Produkte hergestellt werden.        

HDPE (High Density Polyethylen)        

hdpe

Anwendung: Flaschen, Verschlüsse, Folien für Lebensmittelverpackungen, gilt als weitgehend unbedenklich für die Gesundheit

Recycling: Die Wiederverwertung von HDPE geschieht ähnlich wie bei PET. Durch Vermahlen wird es zu wiederverwendbarem Granulat aufbereitet.        

V/PVC (Polyvinylchlorid)        

vinyl

Anwendung: Fenster, Türen, Kabelisolierungen, Verpackungen

Recycling: Ähnelt ebenfalls dem Aufbereitungsprozess von PET und HDPE.        

LDPE (Low Density Polyethylen)

ldpe

Anwendung: wird aufgrund seiner Flexibilität bei niedrigen Temperaturen (bis zu -60°C) zur Folienherstellung verwendet.

Recycling: LDPE-Abfälle werden wie PET, HDPE und PVC verarbeitet.        

PP (Polypropylen)        

pp-polypropylen

Anwendung: Wird in praktisch jeder Branche verwendet und gilt als eines der Materialien, die für die menschliche Gesundheit am wenigsten schädlich sind.

Recycling: PP ist dank seiner thermoplastischen Eigenschaften leicht recycelbar. Durch den Einsatz des Hochtemperatur-Schmelzverfahrens ist es möglich Polypropylen auf einfache Weise zu einem neuen Produkt, beispielsweise einer Verpackung, zu formen. Sein Recycling ist auch durch Vermahlen zu feinem Granulat möglich. Dieses wird für die Herstellung neuer Produkte verwendet.        

PS (Polystyrol)        

ps-polystyrol

Anwendung: Wird in der Elektrotechnik zur Isolation von Kabeln, Schaltern, Spulenkörpern und zur Herstellung von Massenartikeln wie klassische CD-Verpackungen oder Videokassetten eingesetzt. Ebenso findet es in Dämmstoffen, Schaugläsern, Schwimmwesten, Lebensmittelverpackungen und Pharma-Verpackungen (Blister) Anwendung.Geschäumtes Polystyrol wird als schockdämpfendes Verpackungsmaterial oder zur Wärmedämmung für Gebäude eingesetzt.

Recycling: PS kann über technische Verfahren mit einer hohen Sortenreinheit getrennt werden. Das Material wird anschließend zu Regranulat, welches zum Beispiel in Produkten wie Kleiderbügeln, Kisten oder Möbeln verwendet wird.        

Sonstige

other-polymers

Dieses Zeichen wird für andere Kunststoffe als die oben genannten verwendet. Oft sind auch biologisch abbaubare Kunststoffe mit 07 gekennzeichnet.        

PC (Polycarbonat)

Anwendung: Polycarbonate sind glasklar, einfärb-, schweiß- und klebbar. Außerdem sind sie sehr dimensionsstabil und besitzen eine hohe Schlagzähigkeit. Verarbeitet wird PC meist im Spritzguss. Eingesetzt wird es zB. für leichtgewichtige Sicherheitskomponenten in Autos, für Baumaterialien, als Isolierungsmaterial in Gebäuden, für Medizinprodukte, für Mehrwegverpackungen oder als Trägermaterial für die moderne optische Datenspeicherung

Recycling: Polycarbonate sind Kunststoffe, die sich ab einer bestimmten Temperatur verformen lassen. Anschließend erkalten sie und behalten die neue Form bei. Sie lassen sich beliebig oft wieder einschmelzen und erneut verformen.Während der Herstellungsphase wird Polycarbonat-Abfall aus den Polymerisations- und Aufbereitungsschritten direkt vor Ort zurückgewonnen. In allen europäischen Ländern werden die Produktionsabfälle, welche die Anlage verlassen, zu rund 90% zurückgewonnen. Der größte Teil wird mechanisch zu Spezial-Polycarbonat und Polycarbonat-Blend (recycelte Sorten) recycelt.

PMMA (Polymethylmethacrylat/Acrylglas)

Anwendung: Die sehr guten optischen Eigenschaften in Kombination mit der guten Witterungsbeständigkeit und dem geringen Gewicht machen PMMA für Verglasungen im Flug- und Fahrzeugbau interessant. Außerdem wird es bei der Herstellung von Reflektoren, Warndreiecken, Rücklichtern und Blinker-Gläsern verwendet.

Recycling: Zur Wiederverwertung werden die meisten Kunststoffe zerkleinert, eingeschmolzen und danach in andere, geringerwertige Produkte umgewandelt, sogenanntes Downcycling. PMMA-Produkte hingegen können durch chemisches Recycling wieder in ihre Ausgangsbausteine zerlegt werden, um daraus neue Platten, Rohre, Stäbe etc., bei nahezu gleichbleibender Produktqualität herzustellen. So werden Ressourcen eingespart und Abfälle vermieden.

ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer)

Anwendung: Maschinen- und Fahrzeugbau (Armaturenträger, Karosserieteile, Spoiler, Armlehnen, Konsolen, Radkappen); Elektrotechnik (Gehäuseteile, Funktionsteile), Sanitärbereich (Armaturen, Wannen, Rohre, Fittings) und viele weitere Anwendungen in den unterschiedlichsten Branchen

Recycling: ABS lässt sich in der Theorie gut in den Kunststoffkreislauf zurückführen. Aktuell wird ABS allerdings oft in Branchen verarbeitet, wo sich die Produkte aus komplexen Materialgemischen zusammensetzen. Hier fehlt es den Recyclingunternehmen häufig noch an den richtigen Anlagen und Verfahren, um diese komplexen Gemische zu sortieren und hochwertiges Rezyklat herzustellen, aus dem wiederum neue Produkte entstehen können.

 

Fazit

Vom Entwickler bis zum Konsumenten kann jeder seinen Beitrag leisten, um den Kunststoff-Verbrauch effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Ein wichtiger Aspekt ist beispielsweise die Reduktion des Einsatzes von schädlichen Materialien. Diese sind durch leichter abbaubare Materialen zu ersetzen. Das Recycling ist ebenso ein weiterer relevanter Faktor, um die gesamte in Umlauf gebrachte Menge an Kunststoff zu reduzieren. Die richtige Kennzeichnung erleichtert den Recyclingprozess und hilft dem Endkonsumenten bewusstere Entscheidungen zu treffen.

Der Verzicht auf Einwegartikel aber auch die Bereitschaft etwas mehr für Produkte zu bezahlen, die nach entsprechenden Qualitätsvorgaben gefertigt werden, wären Beispiele für solch bewusste Entscheidungen. Ein Entwickler oder Kunde hingegen kann in seiner Lieferantenwahl berücksichtigen, ob gängige Vorgaben in der Fertigung und gegenüber seiner Mitarbeiter wie auch der Umwelt eingehalten werden. All das sind Handlungen, die im Ganzen eine große Wirkung erzielen können.