Die wichtigsten Faktoren zur Werkzeugkostenreduktion im Spritzguss

Kosteneffiziente Spritzgussprojekte trotz wirtschaftlich schwieriger Zeiten? Hier finden Sie die wichtigsten Ansätze zur Kostenoptimierung!
Autor:
Julian Stopper
Veröffentlicht:
January 5, 2024

Inhaltsverzeichnis

  1. Definition bauteilspezifischer Anforderungen
  2. Familien- und Stammformen bei der Projektplanung berücksichtigen
  3. Bauteilkonstruktion als Schlüssel zum Erfolg
  4. Vermeidung irrelevanter Bauteiltoleranzen Fazit
  5. Fazit

Umsatzeinbrüche, Rohstoffpreiserhöhungen, Kurzarbeit und Lieferengpässe - Die letzten 1 ½ Jahre waren geprägt von diesen Begriffen und dementsprechend gezeichnet ist die Wirtschaft in nahezu allen Sektoren. Trotz der vermeintlichen wirtschaftlichen Erholung, hat der Faktor Kostenreduktion höchste Priorität, um auch in schwierigen Zeiten konkurrenzfähig zu bleiben. In der Kunststofftechnik, vor allem im Spritzguss, ist die Werkzeugfertigung zu Projektstart mit hohen Investitionskosten verbunden. Oftmals stellen die anfänglich hohen Investitionskosten für Spritzgusswerkzeuge eine große Hürde für die Entscheidung der Projektumsetzung. Mit einer optimalen Werkzeugauslegung, individuell angepasst an die benötigte Standzeit, Teilequalität und Abrufmenge, ist das Einsparungspotential im Werkzeugbau entsprechend. Folgend werden die Stellschrauben beschrieben anhand welcher sich solche Einsparungspotentiale realisieren lassen.

Definition bauteilspezifischer Anforderungen

Schon zu Beginn des Projekts sind einige relevante Punkte zu beachten. Wichtig dabei ist die Definition sinnvoller und anwendungsrelevanter Anforderungen an das geplante Produkt. Höhere Anforderungen haben im Spritzguss auch immer einen höheren Werkzeug- und Teilepreis zur Folge. Hierfür müssen Sie bereits im Vorfeld Ihre Anforderungen genau spezifizieren. Bei Bedarf empfiehlt es sich, ein Lastenheft zu erstellen, um dem Lieferanten alle notwendigen Informationen zu den benötigten Anforderungen darstellen zu können. Anhand solcher Anfrageunterlagen kann Ihr Projekt optimal und kosteneffizient angeboten werden.

Frühzeitige Bekanntgabe der maximal benötigten Stückzahl

Für eine optimale Werkzeugauslegung ist eine grobe Einschätzung über die gesamt benötigte Stückzahl notwendig, da diese die Werkzeugkalkulation erheblich beeinflusst. Mit einer groben Definition der Ausbringungsmenge bzw. der Standzeit des Werkzeuges, können die nachfolgenden Fragen beantwortet und die Werkzeugauslegung optimal ausgeführt werden.

  • Welches Werkzeugmaterial wird verwendet?
  • Aluminium oder Stahl?
  • Gehärteter oder ungehärteter Werkzeugstahl?

Nicht nur die Auswahl des Werkzeugmaterials ist abhängig von der maximalen Ausbringungsmenge, sondern auch die Auslegung hinsichtlich des Einsatzes von Schieberkomponenten oder Losteilen. Sollten Sie nur eine kleine Stückzahl von Spritzgussteilen benötigen, dann gibt es unter anderem die Möglichkeit, das Werkzeug mit Losteilen auszuführen. Diese Losteile werden bei jedem Spritzzyklus händisch in das Spritzgusswerkzeug eingelegt und wieder gemeinsam mit dem Kunststoffteil entformt. Diese Vorgehensweise wird auch bei Spritzgussteilen mit Kunststoffgewinden angewendet. Hierbei erspart man sich eine aufwändige und kostenintensive Gewindeausdreheinheit für das Spritzgusswerkzeug. Mit solchen Losteilen können Sie nicht nur die Werkzeugkosten senken, sondern auch die Fertigungszeit des Werkzeuges entsprechend reduzieren, weil die Fertigungsdauer klarerweise stark von der Komplexität abhängig ist. Dementsprechend einfach und gut entformbar sollte die Artikelgeometrie konstruiert sein.

Abbildung 1: Spritzguss-Werkzeug für komplexe Bauteilgeometrie

Materialauswahl angepasst an die spezifischen Bauteilanforderungen

Die Definition des passenden Materials für Ihr Spritzgussteil ist eine der wichtigsten Entscheidungen für das Produkt. Abhängig davon wird die Teilekonstruktion angepasst und die allgemeine Auslegung des Werkzeugs definiert. Grundsätzlich gibt es im Spritzguss kein schlechtes Material, jedoch für die spezielle Anwendung den falschen Werkstoff. Wichtig bei der Materialauswahl ist ebenso wieder, die Anforderungen an das Material eindeutig zu definieren. Zusätzlich sollten auch die verarbeitungstechnischen, sowie die umweltbedingten Einflussfaktoren berücksichtigt werden. Eine falsche Materialauswahl kann im schlimmsten Fall eine Neufertigung des Werkzeuges bedeuten, da die Kunststoffe ein unterschiedliches Schwindungsverhalten haben. Um diese Zusatzkosten und Terminverzögerungen zu vermeiden, empfiehlt es sich, die Expertise eines erfahrenen Spritzgussexperten einzuholen oder diesen direkt in die Projektplanung mit einzubeziehen.

Familien- und Stammformen bei der Projektplanung berücksichtigen

Sollten Sie ein Projekt haben, bei dem es mehrere Spritzgussteile gibt, bedeutet es nicht, dass Sie für jedes Teil ein eigenes Werkzeug benötigen. Hierfür können mehrere Teile in einem Werkzeug zusammengefasst werden. Auch wenn die Bauteile nicht aus dem gleichem Kunststoff gefertigt werden, oder unterschiedlich groß sind, ist ein Familienwerkzeug oftmals realisierbar.

Bei ähnlich großen Bauteilen empfiehlt es sich Stammformen zu verwenden. Hierfür kann ein und derselbe Formenaufbau für mehrere Bauteile verwendet werden. Es sind dabei nur die unterschiedlichen formgebenden Werkzeugkomponenten neu zu fertigen. Kosteneinsparungen lassen sich somit auch durch die Verwendung von Stamm- und Familienwerkzeugen erzielen.

Abbildung 2: Fertigung eines Formeinsatzes

Bauteilkonstruktion als Schlüssel zum Erfolg

Einer der aller wichtigsten Punkte, um die Kosten zu reduzieren, ist die spritzgussgerechte Artikelkonstruktion. Hierbei können Sie nicht nur die Werkzeugkosten durch nachträglich notwendige Änderungen reduzieren, sondern auch die Teile- und Montagekosten wesentlich beeinflussen.

Es gibt eine Vielzahl an möglichen Problemen beim Spritzgießen. Diese erkennt man spätestens bei der Fertigung der ersten Musterteile. Da dies in der Regel viel zu spät ist, bedeutet das meistens kostenintensive Änderungen. Die meisten Probleme lassen sich auf die nicht spritzgusskonforme Artikelkonstruktion zurückführen, wie beispielsweise Einfallstellen, Lunkerbildung, Bauteilverzug, etc. Aus diesem Grund empfehlen wir bei der Erstellung einer spritzgussgerechten Artikelkonstruktion die Einbindung eines Spritzgussexperten bzw. erfahrenen Produktionspartners. Dieser kann im Vorfeld mittels Simulationen mögliche Probleme erkennen. Diese Unterstützung sollten Sie so früh als möglich in Anspruch nehmen, da Sie somit die Möglichkeit haben, die Artikelgeometrie dementsprechend anzupassen. Dadurch können Sie das Risiko von nachträglichen Änderungskosten sowie höhere Teile- und Montagekosten beachtlich minimieren.

Um unsere Kunden bei der Konstruktion von Spritzgussteilen zusätzlich unterstützen zu können, haben wir unsere H-Box entwickelt. Dieses hilfreiche Designtool zeigt die häufigsten konstruktiven Fehler inklusive Lösungsvorschläge, sowie Möglichkeiten zur Vermeidung aufwendiger Schieberwerkzeuge dank optimierter Artikelkonstruktion, auf. Vor allem in Zeiten von nicht erlaubten Kundenbesuchen war diese ein hervorragendes Werkzeug zur effizienteren Gestaltung der Projektkommunikation. (Hier kostenfrei Ihre H-Box sichern!)

Video: Unsere H-Box dient als konstruktiver Ratgeber für die spritzgussgerechte Konstruktion von Kunststoffteilen.

Vermeidung irrelevanter Bauteiltoleranzen

Bei der Definition von Bauteiltoleranzen ist darauf zu achten, dass diese fertigungstechnisch sowie wirtschaftlich sinnvoll gewählt werden. Häufig werden Toleranzanforderungen eines CNC-Fertigungsprozesses direkt auf das Spritzgießen übertragen. Es ist zu beachten: Enge Toleranzen kosten Geld!

Bei der Tolerierung muss berücksichtigt werden, dass vor allem bei unterschiedlichen Wandstärken und Werkstoffen, die Maßhaltigkeit eines Spritzgussteils sehr große Einflussfaktoren hat. Die Formschwindungswerte sind richtungs- und dickenabhängig. Das bedeutet, dass vor allem bei glasfaserverstärkten Kunststoffen der Unterschied zwischen Längs- und Querorientierung der Glasfasern einen erheblichen Unterschied im Schwindungsverhalten zur Folge hat. Dies kann die Maßhaltigkeit der Bauteile enorm beeinflussen. Zusätzlich sollten die Umwelteinflüsse wie beispielsweise die Wärmeausdehnung oder Feuchtigkeitsaufnahme des Kunststoffes bei der Tolerierung des Spritzgussteils berücksichtigt werden.

Abbildung 3: Gewinde aus Polyamid mit 50% Glasfasern und umspritzten Metallinserts

Wir empfehlen, dass man die Toleranzen nicht so eng wie möglich, sondern so groß wie erforderlich definiert. Hierfür können als Referenzwerte die Tolerierung der Formteiltoleranzen nach DIN ISO 20457 herangezogen werden.

Fazit

Die Kostenreduktion liegt in Ihren Händen! Ergreifen Sie frühzeitig die nötigen Schritte, um auch in Krisenzeiten konkurrenzfähige Preise anbieten zu können. Dank des enormen Kostenreduktionspotentials, können Sie die großen Vorteile des Fertigungsverfahrens Spritzguss wie beispielsweise die sehr gute Reproduzierbarkeit, große Materialvielfalt, geringe Teilekosten, etc. auch bei kleineren Stückzahlen kostengünstig nutzen.

Hierfür ist es erforderlich, dass Sie im Vorfeld Ihre Anforderung an das Spritzgussteil klar definieren. Mit einer rechtzeitigen Einbindung eines Produktionspartners mit entsprechendem Knowhow im Bereich Spritzguss, werden Sie auch in wirtschaftlich unsicheren Zeiten in der Lage sein, wettbewerbsfähige Preise anbieten zu können.