Spritzguss für Kleinserien: Der richtige Werkzeugbau zählt!

In welchen Fällen Sie bei der Fertigung von Prototypen und Kleinserien jedenfalls auf Spritzguss setzen sollten, erklären wir Ihnen in diesem Beitrag.
Autor:
Bernhard Ulbl
Veröffentlicht:
30. April 2024
January 5, 2024

Inhaltsverzeichnis:

  1. Entscheidungsfaktor Zeit
  2. Entscheidungsfaktor Material- und Formvielfalt
  3. Entscheidungsfaktor Kosten
  4. Entscheidungsfaktor Risiko
  5. Fazit

Das Spritzgussverfahren ist ein wahrer Allrounder: Ob Komponenten für die Automobilindustrie, Gehäuseteile für Haushaltsgeräte oder Medizintechnik – aus der Serienfertigung ist das Spritzgießen nicht mehr wegzudenken, denn es vereint extreme Prozessstabilität mit enormer Materialvielfalt und dem Vorteil, die produzierten Formteile ohne weitere Bearbeitung unmittelbar verwenden zu können. Aus diesem Grund können auch  komplexe Bauteilgeometrien sehr kostengünstig hergestellt werden.

Aufgrund der vergleichsweise hohen Investitionskosten in die Herstellung der eingesetzten Aluminium- und Stahlwerkzeuge kommt das Spritzgießen allerdings nicht gleich in den Sinn, wenn es um die Produktion von Prototypen und Kleinserien geht.

In welchen Fällen Sie bei der Fertigung von Prototypen und Kleinserien jedenfalls auf Spritzguss setzen sollten, erklären wir Ihnen in diesem Blogbeitrag.

Entscheidungsfaktor Zeit

Wer eine Produktidee in absehbarer Zeit zur Großserie führen will, befindet sich in einer zwiespältigen Situation: Zum einen gilt es die Konstruktion ehestmöglich umzusetzen, um Marktpräsenz zu beweisen, zum anderen erhöhen voreilig getroffene Entscheidungen im Bereich Werkzeugbau mitunter Projektkosten und Projektlaufzeiten. Keine einfache Situation.

Das Schnellspritzguss-Verfahren kann hierfür die Lösung sein. Mit modernsten Technologien und automatisierten Fertigungsmethoden können formgebende Werkzeugeinsätze und –Komponenten gefertigt werden. Dabei ermöglicht ein optimiertes Werkzeugkonzept mit bestehenden  Stammformen, austauschbaren Formeinsätzen sowie manuell betätigte Formkerne erhebliches Einsparungspotential hinsichtlich der Fertigungszeit. In kürzester Zeit können Spritzgussteile aus Originalwerkstoffen präzise, schnell und kostengünstig hergestellt werden und es ermöglicht zusätzlich die Abdeckung der Vorserienproduktion in einem Stadium in dem das Großserienwerkzeug mitunter noch in Entwicklung steht.

Abbildung 1: Erste Bearbeitungsschritte bei der Herstellung eines Kleinserien-Spritzgusswerkzeuges

Doch nicht nur das, auch die gesammelten Erfahrungen aus der Vorserienproduktion zur Prozess- und Produktionsoptimierung können für die Großserie genutzt werden, was sicherstellt, dass Investitionsentscheidungen im besten Wissen getroffen werden.

Abbildung 2: 2K Spritzgussteil aus hochtemperaturbeständigen Kunststoffen produziert aus einem Prototypen-Aluminiumwerkzeug

Als Rapid Tooling-Verfahren eignet sich das Spritzgießen also vor allem dann, wenn es darum geht, Vorserien zu Spritzguss-Großserien schnell und flexibel sowie ohne finanzielles Risiko durch übereilte Entscheidungen zu produzieren. Demgegenüber überzeugt der klassische Spritzguss durch hohe Werkzeugstandzeiten und die Möglichkeit, die Serienproduktion rasch wieder aufnehmen zu können, was gerade bei mehrjährigen Projektlaufzeiten ein großes Plus ist.

Entscheidungsfaktor Material- und Formvielfalt

Vorteile bringt der Kunststoff-Spritzguss aber auch durch die Vielfalt an einsetzbaren Materialien und Farben, denn grundsätzlich können damit alle Thermoplaste (mit und ohne Glasfaserverstärkung) sowie Elastomere verarbeitet werden. Diese enorme Bandbreite ermöglicht es, selbst speziellsten Anforderungen gerecht zu werden. Egal ob es sich um einen Funktionsteil oder Sichtteil handelt. Dementsprechend weit ist auch das Anwendungsgebiet der Formteile, die in der Automobilindustrie ebenso zum Einsatz kommen wie in Wehrtechnik, Luftfahrt und Industrieprodukten.

Aber auch in Hinblick auf Größe, Oberflächenbeschaffenheit und Bauteilgeometrie zeigt sich das Spritzgießen vielfältig: Zwar ruft das Verfahren meist Assoziationen mit der Fertigung von Kleinstteilen hervor, doch können selbst Bauteile bis zu einer Größe von 2 x 1 Meter problemlos hergestellt werden. Aufgrund der vollautomatisierten Fertigung wird das Spitzgießen außerdem zum Verfahren der Wahl, wenn es darum geht, höchsten Toleranzanforderungen und Reproduzierbarkeit zu entsprechen.

Abbildung 3: Medikamentenbox aus lebensmittelkonformen (FDA) Kunststoff

Kunststoff-Spritzguss sollten Sie in der Prototypen- und Kleinserienfertigung also auch dort in Erwägung ziehen, wo Beschränkungen hinsichtlich Material, Formgebung und Oberflächenbeschaffenheit ebenso wenig tolerierbar sind wie Einbußen bei der Präzision.

Entscheidungsfaktor Kosten

Die anfänglichen Einmalkosten eines Spritzgusswerkzeuges können oftmals abschreckend wirken. Jedoch muss man die geringen Kosten für die Bauteile über deren Laufzeit sowie die vielen Vorteile des Spritzgussverfahrens gegenüberstellen. Dann wird man sehr schnell eingestehen, dass das Spritzgussverfahren auch bei kleiner Stückzahl das geeignete Fertigungsverfahren ist.

Abbildung 4: EPDM-Spritzguss aus einer bestehenden Stammform mit Formeinsätzen

Zusätzlich gibt es mehrere Möglichkeiten, wie Sie selbst Kosten bei einem Spritzgusswerkzeug reduzieren können (Mehr dazu finden Sie in unserem Blogbeitrag "Spritzgusswerkzeug - Wie können Sie Kosten reduzieren"). Wie zum Bespiel die fertigungsgerechte Artikelkonstruktion, Material- und Toleranzanforderung, etc. Hierfür empfehlen wir die Einbindung eines Spritzgussexperten bzw. erfahrenen Produktionspartners.

Entscheidungsfaktor Risiko

Wollen Sie eine Großserie in Spritzguss umsetzen, lohnt es sich jedenfalls, in der Prototypen- und Kleinserienfertigung auf das gleiche Verfahren zu setzen. So stellen Sie sicher, dass etwaige Probleme bereits in der Frühphase des Projekts identifiziert und behoben werden können. Die Nutzung des späteren Fertigungsverfahrens sorgt damit auch für eine schnellere Umsetzbarkeit der Serie, da Änderungs- und Optimierungsschleifen reduziert werden.

Abbildung 5: Steckergehäuse mit eingelegten Metallpins hergestellt in einem Kleinserien-/Vorserienwerkzeug

Werden Prototypen und Vorserien im Originalwerkstoff gefertigt, verkleinert sich außerdem das Risiko durch abweichende Materialeigenschaften: Verhält sich das Material, in dem ein Prototyp gefertigt wird, etwa in Hinblick auf Temperatur- oder Treibstoffbeständigkeit abweichend zum Fertigungsmaterial der Serie, kann das Projekt in fortgeschrittenem Stadium deutlich ausgebremst und zurückgeworfen werden. Durch die Herstellung im Originalwerkstoff und -verfahren sind entscheidende Funktions- und Materialtests (wie Flammtests oder LifeCycle Tests) hingegen schon in einer Frühphase möglich, was vor Unsicherheiten und teuren Fehlentscheidungen schützt.

Fazit: Entscheidend sind also nicht (nur) die Werkzeugkosten

Die Fertigung von Prototypen und Kleinserien in Spritzguss geht zwar mit höheren Investments in den Werkzeugbau einher, wer Muster und Vorserien zu Spritzguss-Großserien optimal, flexibel, präzise und ohne das Risiko kostspieliger Fehlinvestments umsetzen möchte, ist aber gut beraten, auf den Klassiker der Kunststoffverarbeitungsverfahren zu setzen: Auch und gerade weil die Arbeit mit Stammformen und Einsätzen die Kostenfrage in den Hintergrund rücken lässt und das Spritzgussverfahren sehr viele Vorteile bietet.

Als Komplettanbieter im Bereich Kunststofftechnik für Prototypen und Kleinserien kann Hintsteiner in allen Bereichen unterstützen.