DIE 5 GRÖßTEN MYTHEN UM DEN WERKSTOFF CARBON

Carbon: In diesem Beitrag erklären wir, was hinter den 5 größten Mythen rund ums Thema Carbon steckt und warum Sie sich bei der Materialentscheidung nicht von Vorurteilen und Hörensagen leiten lassen sollten.
Autor
Markus Reitbauer
Veröffentlicht am
February 29, 2024

Als vielfältig einsetzbarer Werkstoff ist Carbon in aller Munde. Denn Composites können nicht nur im Motorsport, der schon lange auf die Vorzüge von Faserverbundwerkstoffen setzt, punkten: Auch Maschinenbau, Wehrtechnik, (Pharma-)Industrie, Luftfahrt und Medizintechnik profitieren von den tausendfach bewährten Composite-Lösungen.

Carbon hat enormes Potential: Die Unternehmensberatung McKinsey prognostiziert dem Markt für Kohlenstofffasern sogar ein jährliches Wachstum um 20 %. Dennoch fällt Unternehmen die Entscheidung für die Kleinserienproduktion in Faserverbundwerkstoffen mitunter schwer: Das Festhalten an üblichen Routinen und Kunststoffherstellungsverfahren ist hierfür ebenso verantwortlich wie Unsicherheiten in Hinblick auf die Eigenschaften des innovativen Materials.

In diesem Beitrag erklären wir, was hinter den 5 größten Mythen rund ums Thema Carbon steckt und warum Sie sich bei der Materialentscheidung nicht von Vorurteilen und Hörensagen leiten lassen sollten.

Mythos 1: Carbon ist viel teurer als herkömmliche Kunststoffe und Metalle

Die Herstellung von Bauteilen aus Composites steht im Ruf, mit Mehrkosten verbunden zu sein. Tatsächlich schlägt eine Carbon-Platte in der Größe 500 x 500 mm und einer Stärke von 2 mm mit rund € 200,- zu Buche, während das Stahlblech-Äquivalent bereits um schlanke € 15,- zu haben ist.

Ausschließlich auf die Aufwendungen für den jeweiligen Werkstoff abzustellen, greift aber zu kurz: Will man einen seriösen Kostenvergleich anstellen, muss schließlich der Ressourcenaufwand über den gesamten Projektzyklus betrachtet werden. Stellt man die Werkstoffe in dieser Art gegenüber, relativieren sich die Kostenvorteile herkömmlicher Kunststoffe und Metalle mitunter schnell: Denn die formfallende Fertigung von Carbon-Bauteilen reduziert die Aufwände – und damit Kosten – für nachträgliche Bearbeitung auf ein Minimum.

Punkten kann das Composite-Material aber vor allem bei komplexen Formteil-Geometrien: Gegenüber Metallen entfällt hier das aufwendige Biegen, Kanten und Zusammenschweißen von Bauteilgruppen. Ist Dichtigkeit gefordert, schlägt das Pendel jedenfalls zugunsten von Carbon aus, denn herkömmliche Metallverarbeitungsverfahren erweisen sich in diesem Zusammenhang als enorm teuer.

Beziehen Sie zusätzlich die Ressourcenschonung durch geringeres Teilegewicht im Endprodukt mit ein, relativieren sich die Werkstoffkosten jedenfalls.

Mythos 2: Carbon ist spröde.

Dass wir es hier mit einem Mythos zu tun haben, verdeutlicht schon ein kurzer Blick auf die Branchen, in denen Carbon-Bauteile seit Jahrzehnten zum Standard gehören: Schließlich stellen Motorsport, Automobil-Industrie und Luftfahrt besonders hohe Anforderungen an das Materialverhalten im Ernstfall.

Aufgrund seiner außergewöhnlichen Festigkeit bietet Carbon sogar besondere Sicherheit bei mechanischen und thermischen Belastungen. Risse und selbst Durchschüsse verkraftet das Material leichter als herkömmliche Werkstoffe, denn Composites büßen selbst in diesen Fällen weder Festigkeit noch Belastbarkeit ein.

Dass Carbon mitunter zersplittert, ist darauf zurückzuführen, dass das Material bei Aufprall kontrolliert Energie abbaut – Wird diesem Umstand entsprechend Rechnung getragen, steht einer Produktion aus Composites aber dennoch nichts im Wege.

Abbildung 1: Die fasergerechte Konstruktion von Komponenten aus Compositematerialien ermöglicht einen kontrollierten Energieabbau

Mythos 3: Carbon-Fertigung ist mit extrem langen Lieferzeiten verbunden

Auch dieser Mythos kann entkräftet werden, schließlich zählt der Carbon-Formenbau zu den schnellsten Verfahren, wenn es um die Herstellung von Werkzeugen geht. Da ausschließlich A-Seiten gefertigt werden, hält sich der zeitliche Aufwand gegenüber anderen Metallherstellungs-Verfahren jedenfalls in Grenzen.

Während Sie für die Fertigung von Feinguss-Werkzeugen aus Aluminium und Stahl mit einer Produktionszeit von mindestens vier Wochen rechnen müssen, liegt der Aufwand für den Carbon-Formenbau (je nach Bauteilgröße und -komplexität) bei nur wenigen Tagen. Extrem lange Lieferzeiten entsprechen also keinesfalls der Realität – sofern sie die Produktion in erfahrene Hände legen.

Mythos 4: Carbon ist nur optisch ein Highlight.

Selbstverständlich spielt die Optik bei Carbon-Teilen, die häufig als Exterieur-Komponenten eingesetzt werden, eine große Rolle. Schließlich werden nur wenige Materialien so stark mit Innovation und Fortschritt in Verbindung gebracht wie Composites.

Dennoch darf die Optik nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um einen Strukturwerkstoff mit zahlreichen Vorzügen handelt: Gerade sein äußerst geringes Gewicht, seine Formfreiheit sowie seine geringe Massenträgheit und Wärmeausdehnung sind mindestens genauso gute Gründe, bei der Bauteilfertigung auf Carbon zu setzen wie das äußere Erscheinungsbild.

Mit der Wahl des Composite-Werkstoffs sorgen Sie demnach auch für ein enorm positives Beschleunigungs- und Schwingungsverhalten sowie für höchste Präzision selbst unter schwankungsreichen klimatischen Bedingungen.

Mythos 5: Die Lebensdauer von Carbon ist kürzer als die vergleichbarer Werkstoffe.

Der Mythos hält sich hartnäckig – ist jedoch zu relativieren: Denn Carbon kennt weder Korrosion durch den Kontakt mit Salzwasser, Salznebel oder Säuren noch Ermüdungserscheinungen. Die Lebensdauer von Composite-Bauteilen ist also nahezu unbegrenzt.

Vorsicht ist lediglich in Hinblick auf Kontaktkorrosion im Falle einer Verbindung mit anderen Werkstoffen sowie bei Hydrid-Bauweisen mit Metallen und weiteren Materialien geboten. Bei Leichtbauteilen gilt es außerdem dafür Sorge zu tragen, das geforderte Belastungsniveau einzuhalten – Schließlich versagt selbst der beste Werkstoff bei (dauerhafter) Überbelastung.

Fazit: Verlassen Sie sich bei der Materialwahl nicht aufs Hörensagen.

Denn viele Behauptungen, die zu innovativen Composites kursieren, halten dem Belastungstest nicht stand. Wenn Sie für die Produktion von Prototypen und Kleinserien einen Werkstoff suchen, der mit geringem Gewicht, hoher Steifigkeit, niedrigem Wärmeausdehnungskoeffizienten, Röntgentransparenz, gutem Schwingungsverhalten, großer Designfreiheit, Gas- und Druckdichte sowie Säure- und Temperaturbeständigkeit bis +400° Celsius überzeugt, sollten Sie nicht davor zurückschrecken, Carbon Ihr Vertrauen zu schenken.