Werkzeugbau in der Faserverbundtechnik inkl. Case Study

Werkzeugbau in der Faserverbundtechnik | Case Study
Autor:
Martin Hintsteiner
Veröffentlicht:
February 29, 2024

Inhaltsverzeichnis: 

  1. Hauptentscheidungskriterien für de Werkzeugauslegung
  2. Relevante Werkstoffe für den Werkzeugbau
  3. Case Studx: Praktisches Beispiel für die geeignete Werkzeugauslegung
  4. Fazit

Bei der Fertigung von Bauteilen aus Carbon spielt die richtige Auslegung des Formwerkzeuges, welches zur Herstellung benötigt wird, eine wichtige Rolle. In das Formwerkzeug werden die einzelnen Zuschnitte des CFK-Halbzeugs eingelegt und erhalten dadurch ihre finale Form. Zumeist wird das Werkzeug mit dem Lagenpaket zur vollständigen Form- und Eigenschaftsbildung unter Druck und Temperatur, beispielsweise in einem Autoklav, ausgehärtet. Hinsichtlich dessen muss das Formwerkzeug bestimmte Anforderungen erfüllen, um dem Herstellungsprozess der Bauteile standzuhalten und dabei beste Qualität zu liefern.

In diesem Beitrag beschreiben wir auf welchen Faktoren ein besonderer Fokus bei der Werkzeugauslegung liegt und welche Werkstoffe für welche Anforderungen in Frage kommen.

Hauptentscheidungskriterien für die Werkzeugauslegung

Bei der Auslegung und Fertigung von Formwerkzeugen für die Verarbeitung von Faserverbundwerkstoffen gilt es einige relevante Faktoren zu berücksichtigen, um bestmögliche Qualität, Effizienz und Wirtschaftlichkeit gewährleisten zu können. Die wichtigsten Faktoren dabei sind die Größe und Temperaturbeständigkeit des zu fertigenden Bauteils, wie auch die benötigte Stückzahl. In Folge wird beschrieben, warum gerade diese Faktoren von großer Bedeutung sind.

Bauteilgröße

Je größer die Bauteile, desto größer sind natürlich auch die Werkzeuge, in welchen diese gefertigt werden. Die Bauteilgröße hat somit direkten Einfluss auf die Auslegung des Formwerkzeuges. Um die Verarbeitung von Faserverbundwerkstoffen ergonomisch und effizient zu gestalten, ohne dabei teure und aufwendige Betriebs- bzw. Hilfsmittel (Formenträger, Hallenkräne, Roboterarme, …) anschaffen zu müssen, ist es das Ziel, die Formwerkzeuge so leicht wie möglich auszuführen. Dementsprechend müssen für die Fertigung der Formen Werkstoffe mit einer geringen Dichte ausgewählt werden, welche aber dennoch ausreichend Formstabilität besitzen, um den späteren Verarbeitungsparametern bei der Bauteilfertigung standhalten zu können. Durch die richtige Auslegung wird aufgrund des vereinfachten Handlings somit eine effiziente und wirtschaftliche Bauteilfertigung ermöglicht.

Abbildung 1: Sonnendach aus Carbon für eine Luxusyacht

Temperaturbeständigkeit

Muss ein Bauteil eine hohe Temperaturbeständigkeit aufweisen, so wird dieses zumeist unter hohen Temperaturen hergestellt bzw. nachgetempert. Bei der Werkzeugauslegung müssen die Verarbeitungstemperaturen bei der Bauteilherstellung somit sorgfältig berücksichtigt werden, denn nicht jedes Material hält diesen stand. Bei den meisten Herstellungsverfahren kommt es zudem noch zu einer zusätzlichen Druckbeaufschlagung. Die Werkzeuge müssen somit je nach Anforderungen und Anwendungsfall eine ausreichende Formstabilität unter Druck- und Temperatureinfluss besitzen.

Stückzahl

Der wohl wichtigste Faktor für die Auslegung eines Formwerkzeuges ist die benötigte Stückzahl. Je höher diese ist, desto höher sollte auch die Standzeit der Fertigungsform sein. Eine lange Standzeit wird durch die Wahl eines hochbelastbaren und verschleißfesten Werkstoffs ermöglicht. Die Ausführung eines Formwerkzeugs in solchen Materialien birgt zumeist hohe Initialkosten. Diese amortisieren sich hinsichtlich der großen Ausbringungsmenge und langen Lebensdauer aber sehr schnell. Ist im Gegensatz dazu aber nur eine geringe Stückzahl gefragt, so sollte aus Gründen der Wirtschaftlichkeit eine Variante mit überschaubarer Standzeit und geringen Initialkosten gewählt werden.

Relevante Werkstoffe für den Werkzeugbau

Durch die Definition der beschriebenen Entscheidungskriterien ist die direkte Bestimmung des zu wählenden Werkstoffes für das Formwerkzeug möglich. Welche Werkstoffe für die Formenfertigung wann zum Einsatz kommen, wird folgend näher erläutert.

Epoxy-Blockmaterial

Geschäumtes Blockmaterial aus Kunstharzen wird für Prototypen, Kleinserien oder die Herstellung von Urmodellen für die Werkzeugfertigung aus Faserverbundwerkstoffen eingesetzt. Es ist in verschiedenen Dichten erhältlich. Für die Werkzeugfertigung empfiehlt sich ein Material höherer Dichte zu verwenden (ca. 0,7 g/cm3), damit dieses unter Druck und Temperatur auch ausreichend Formstabilität aufweist. Gerade hinsichtlich des Temperatureinflusses ist Blockmaterial limitiert (max. 120°C) und besitzt zudem eine hohe Wärmedehnung. Somit kommt es zumeist nur bei niedrigeren Verarbeitungstemperaturen oder Bauteilen ohne besondere geometrische Anforderungen zum Einsatz. Das Blockmaterial kann in unterschiedlichen Größen beschafft, miteinander verklebt und gefräst werden. Dadurch lassen sich auch größere Formen kostengünstig und schnell herstellen.

Fertigung des Urmodells zur Werkzeugherstellung für das oben abgebildete Sonnendach einer Luxusyacht
Abbildung 2: Fertigung des Urmodells zur Werkzeugherstellung für das oben abgebildete Sonnendach einer Luxusyacht

 

Faserverbund

Zur Fertigung von Formen aus Faserverbundwerkstoffen wird ein Urmodell aus Blockmaterial benötigt. Hier wird mit speziellen Faserverbundwerkstoffen für den Werkzeugbau gearbeitet, aus denen die fertige FVK-Form laminiert wird. Die Formen können je nach eingesetztem Material bei Verarbeitungstemperaturen bis zu 180°C eingesetzt werden. Aufgrund der kaum vorhandenen Wärmedehnung lassen sich damit Bauteile mit einer enormen Maßhaltigkeit herstellen.

Wegen der geringen Dichte (ca. 1,5 g/cm3) aber gleichzeitig hohen Festigkeit von Faserverbundwerkstoffen sind Formen daraus besonders leicht aber auch äußerst beständig. Durch das geringe Gewicht und den vergleichsweise unkomplizierten Laminierprozess lassen sich große Formwerkzeuge fertigen, welche einfach zu bewegen und manipulieren sind. Eingesetzt werden diese von der Kleinserien- bis hin zur Serienproduktion von großen Bauteilen, wie beispielsweise Rotorblättern für Windkraftanlagen.

Der Einsatz von Faserverbundwerkzeugen ist besonders bei großen Bauteilen sinnvoll.
Abbildung 3: Der Einsatz von Faserverbundwerkzeugen ist besonders bei großen Bauteilen sinnvoll.

 

Aluminium

Metallische Formwerkzeuge sind besonders hochwertig. Die günstigste Alternative bietet Aluminium. Dieses lässt sich leicht zerspanen und ist mit einer Dichte von ca. 2,7 g/cm3 noch vergleichsweise leicht und gut handierbar. Im Vergleich zu Invar und Stahl hat es aber eine höhere Wärmeausdehnung. Metallische Werkzeuge werden zumeist für große Serien kleinerer Bauteile eingesetzt.

Stahl und Invar

Formwerkzeuge aus Stahl und Invar sind aufgrund ihrer geringen Wärmeausdehnung vor allem interessant für große Serien, die extrem hohen geometrischen Anforderungen gerecht werden müssen. Zudem sind sie extrem beständig und besitzen dadurch eine enorme Standzeit. Durch ihre Härte sind sie aber schwer zu zerspanen und herzustellen, was sich neben den hohen Materialkosten auch noch in hohen Fertigungskosten bemerkbar macht. Durch ihre hohen Dichten (Stahl ca. 7,8 g/cm3/ Invar ca. 8 g/cm3) sind sie auch schwer zu manipulieren.

Der Einsatz von Faserverbundwerkzeugen ist besonders bei großen Bauteilen sinnvoll.
Abbildung 4: Metallische Formwerkzeuge zeichnen sich unter anderem durch ihre hohe Standzeit aus. 

Case Study: Praktisches Beispiel für die geeignete Werkzeugauslegung

Zur besseren Veranschaulichung wird in Folge ein kurzes Praxisbeispiel geliefert:

Tabelle: Vereinfachtes Beispiel zur passenden Werkzeugwahl

Fazit

Um Bauteile aus Faserverbundwerkstoffen wie Carbon so effizient, wirtschaftlich und qualitativ hochwertig wie möglich herstellen zu können, gilt es besonderes Augenmerk auf den Werkzeugbau zu legen. Durch die richtige Auslegung der Werkzeuge kann sich eine Menge Geld und Arbeit erspart werden. Bei der Auslegung müssen vor allem die Faktoren Größe und Temperaturbeständigkeit des zu fertigenden Bauteils, wie auch die benötigte Stückzahl vorab definiert werden, um eine sinnvolle Entscheidung treffen zu können. Aus dieser Anforderungsermittlung lässt sich ableiten, aus welchem Material ein Formwerkzeug gefertigt werden sollte. Die gängigsten Werkstoffe zur Herstellung von Formen sind Blockmaterialen aus Kunstharz (Polyester, Epoxy), Faserverbundwerkstoffe oder Metalle wie Aluminium, Stahl und Invar.